laut.de-Kritik
Und immer noch gilt: Fuck the Bassplayer!
Review von Eberhard DoblerAus den "French Bastards" wurden erst die "zwei Musketiere" und dann die "Rockfarmers" - näher bei sich dürften die beiden Franzosen noch nie gewesen sein.
Denn dafür stehen Mathieu Jourdain und Laurent Lacrouts - von ihrem Patriotismus für die "Gascogne" mal abgesehen: Rocken und Farmen. The Inspector Cluzo leben in einem einzigartigen Biotop. Ihre Liebe für rauen Rock, Blues, Funk, Soul etc. (sowie den kategorischen Ausschluss eines Bassisten) organisieren sie nach dem 360-Grad-Prinzip: Label, Booking oder Management - alles bleibt in der eigenen Hand. Daneben betreiben sie auf ihrem Hof seit 2013 Landwirtschaft sowie Enten- und Gänsezucht.
Ja, liebe Tierfreunde - so Gemeinheiten wie Foie gras produzieren TIC und verkaufen sie auf dem Markt ihrer Heimatstadt Mont-de-Marsan und über ihre Homepage. Den Rest der Zeit reißen sie die Bühnen dieser Welt ab (mittlerweile über 700 Gigs in 44 Ländern) und nehmen zuhause in regelmäßigen Abständen analog Platten auf.
Im instrumentalen Opener und Titeltrack kommt dann alles zusammen: Geflügelgeschnatter, verzerrtes Gitarrentremolo, abgespeckt rüder Drumgroove. "Rockfarmers" halt. Von Jack White/De Staat-Produzent Vance Powell in Tennesse gemixt, durchweht den Sound nun öfter ein Hauch Countryblues bzw. Outlaw-Feeling (der verzerrte Uptempokracher "GmO & Pesticides oder "Stars Are Leavin'").
Inspector Cluzo bemühen sich auch weniger um Gefälligkeit als früher. Sicher, eingängige (Falsett-)Melodien, die Rock-Ballade "Lost In Traditions" oder "Romana", bleiben. "Fishermen" ist der erste Hit der Platte, ein abwechslungsreiches Mitgrölding, das TIC allerdings nicht in ein 3:33-Minuten-Korsett quetschen. "Estiu Theme" mäandert ebenfalls frei und lautmalerisch durch den Raum.
So überschaubare, fast schon radiotaugliche Schmeichler wie "F*** Michael Jackson" (2010) hört man nicht mehr. Gute-Laune-Knüppler wie "French Bastards" fehlen im Prinzip ebenfalls: Den AC/DC- und Good-Feel-Funk-Faktor haben TIC zurückgefahren. "Quit The Rat Race" atmet stattdessen eher denselben schweren Spirit wie ein Mother Tongue-Track. Und Led Zeppelin kommen bei dem Setting ja eh in den Sinn. Insgesamt wirken die Songs in der Summe melancholischer als früher ("The Run").
Dem Doppelalbum liegen wie immer ein aufwändig gestaltetes Bilderbüchlein/Cover - der Taiwanese Chris Lin zeichnet für TIC seit der ersten Platte - und eine Doku-DVD bei, die den Lifestyle der Rockfarmer dokumentiert: Einerseits das tendenziell autarke Leben auf einem Biohof, nachbarschaftlich eingebettet und in bewusster Abgrenzung zu international agierenden Agrarkonzernen. Und andererseits ihre R'n'R-Touren (auch mit den Suicidal Tendencies), die sie bis nach Südamerika oder Asien führen.
TIC sind echte, in den Traditionen der Gascogne verwurzelte Macher. Man ziehe positive Energie aus dem Farming, lasse diese in die Musik einfließen und gebe sie so ans Publikum weiter, sagt Mathieu einmal in der Doku. Think global, act local. TIC sind definitiv mehr als eine Band.
1 Kommentar
Ich mag TIC, "Fuck M. J." hab ich damals sehr gefeiert. Deswegen werd ich hier wohl mal reinhören. Aber ein Mother-Tongue-Vergleich? Dünnes Eis Leute, dünnes Eis...