laut.de-Kritik

In Johnny Marrs ewiger Hitliste.

Review von

The The sollte jedem Fan britischen Indiepops ein Begriff sein: "This Is The Day", die wohl bekannteste Single, müsste einem über den Weg gelaufen sein - sei es auch nur in der Coverversion der Manic Street Preachers.

Das dazugehörige erste offizielle Album "Soul Mining" liegt nun remastert und erweitert als aufwändig gestaltetes Sammlerstück vor. Soll heißen: Matt Johnsons aka The The holte aus den Originalbändern in den Londoner Abbey Road Studios klanglich noch einmal alles heraus. Das Ergebnis erreicht den Fan in einem erweiterten 2-LP-Boxset, das der guten alten Zeit huldigt: Die Originalscheibe sowie die zusätzliche LP mit Remixen, alternativen Versionen und einem Extrasong hält er in jeweils 180 Gramm schwerem Vinyl in Händen.

Der Box liegt zudem ein im Stil eines Extrablatts gelayoutetes Poster bei, auf dem Matt ausführlich über "Soul Mining" schreibt. Die Idee des Re-Releases initiierten übrigens Fans per Mail, die zum 30-jährigen Albumjubiläum ein Vinyl-Reissue einforderten. Natürlich liegt auch ein Download-Code für die digital optimierte Version der Platte bei.

Alles in allem lohnt das Fanpaket die Investition durchaus. Allein das eigenwillige Design - verschiedene gemalte Coverartworks von Johnsons Bruder Andrew - könnte die Anschaffung wert sein, sollte man nicht schon damals aufgekauft haben, was einem von The The in die Finger kam.

"Soul Mining", die Arbeiten begannen Anfang 1982 in NYC, gehört neben "Infected" (1986) zu den zentralen Platten im Backkatalog des Postpunk/New Wave-Musikers, der sich auch zum Blues hingezogen fühlt. Die Platte bildet die Basis der The The-One-Man-Show, hat sich bis heute über eine Million Mal weltweit verkauft und war in unterschiedlichsten Versionen auf dem Markt. Johnny Marr, der später zeitweise The The-Mitglied war, führt das Album übrigens in seiner ewigen persönlichen Bestenliste an.

Warum? Vielleicht liegt es an diesem unverwechselbaren Alternativepop, den Johnson entwarf. Er fusionierte vor über 30 Jahren Live- und programmierte Instrumente zu einer erstaunlichen klanglichen Einheit, in der selbst eher unübliches Popinstrumentarium - etwa verschiedene Blas- und Percussionsinstrumente, Akkordeon, Cello oder ein ausuferndes Klaviersolo - nicht aus dem Rahmen fallen. Im Gegenteil, sie erweitern stattdessen das Hörspektrum. Die Integration verschiedenster Instrumente lag auch explizit in seiner Absicht, schreibt Matt.

Und natürlich ist und bleibt da seine Stimme, die so real klingt, wie die Texte ohne ermüdende Phrasen funktionieren. Bilder entstehen vor dem inneren Auge, lässt man die Lyrics wirken. Man sucht nach Episoden im eigenen Leben, die zur Stimmung der Tracks passen könnten. "You've been read like an open book - page by page / You'll never tell anyone your inner thoughts again / You were taken in by a heart of fools gold / Now you're drifting in circles in the depths of your soul" (aus dem Titeltrack) - Johnson textet mit offenem Visier. "Writing passionately from the heart", wie er es selbst ausdrückt.

Das lässt sich in seinem Aufsatz zur Platte gut nachlesen: "Damals, zu Maggie Thatchers Zeiten, glaubte ich wirklich, Musik könnte die Welt verändern ... Ich schäme mich auch nicht mehr zuzugeben, dass ich beim Songs schreiben manchmal weinen musste ... Ich wollte einfach, dass die Leute dieselben Emotionen beim Hören empfinden, wie ich beim Schreiben." Und verdammt noch mal, genau so passiert es, hört man sich die Tracks wieder an.

Es komme ihm vor, als blättere er in einem alten Tagebuch, lese er heute die Lyrics, die er teilweise noch als Teenager verfasste: "It feels like an LP from a lost world." Was wiederum nur die halbe Wahrheit darstellt, denn die Platte lebt trotz der zeitbedingten produktionstechnischen Voraussetzungen auch von den zeitlosen Kompositionen und Melodien, wie zum Beispiel der Titeltrack und "Perfect" zeigen. Oder besagtes "This Is The Day": Man hört diese luftig melancholische Nummer, die trotzdem so voller Hoffnung und tanzbar bleibt, und spürt direkt die tiefe Einheit, die Wort und Ton bilden.

Eine ganze Reihe Gastmusiker trug ebenfalls zur Platte bei, etwa Orange Juice/Style Council-Drummer Zeke Manyika, Pianist Jools Holland oder New York Dolls-Sänger David Johansen an der Harmonika. Der schottische Synthie-Pionier Thomas Leer und der australische Avantgarde-Musiker Jim Thirlwell hatten außerdem ihre Finger im Spiel.

Zu bemängeln gibt es höchstens, dass Johnson das Boxset mit mehr Tracks hätte anreichern können. So enthielt die B-Seite der Kassetten-Version weitere Songs (B-Seiten der "Soul Mining"-Singles wie das Instrumental "Fruit Of The Heart"). Doch diese Tracks stammten aus der früheren Session namens "The Pornography Of Despair" und gehörten eigentlich nicht wirklich zu "Soul Mining", argumentiert der Meister selbst.

Hören würde man die Songs an dieser Stelle trotzdem gerne. Ihren Release stellte Johnson in einem Interview bereits in Aussicht. Wie auch immer, hoffentlich erreichen ihn zum "Infected"-Jubiläum dann ähnlich viele Fanmails.

Trackliste

LP1

  1. 1. I've Been Waitin' For Tomorrow (All Of My Life)
  2. 2. This Is The Day
  3. 3. The Sinking Feeling
  4. 4. Uncertain Smile
  5. 5. The Twilight Hour
  6. 6. Soul Mining
  7. 7. Giant

LP2

  1. 1. Uncertain Smile (New York 12" Version)
  2. 2. Perfect (New York 12" Version)
  3. 3. This Is The Day (12" Version)
  4. 4. Fruit Of The Heart
  5. 5. Perfect (London 12" Version)
  6. 6. I've Been Waitin' For Tomorrow (All Of My Life) (12" Mix)

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