laut.de-Kritik
Effektvolles, Hartes und Herzliches aus Scotts Klanglabor.
Review von Philipp KauseMike Scott schüttet auf "All Souls Hill" wieder das Füllhorn seiner Einfälle aus. Vom dürren Folk des spontanen Lockdown-Homestudio-Vorgängers entfernt er sich fürs neue opulente Vorhaben.
"Passing Through" reflektiert nachdenklich den Mord an George Floyd und wie dieser auf Smartphones festgehalten wurde. Scott spinnt den Bogen zu Sitting Bull und dem Widerstand der Sioux im 19. Jahrhundert. Es handelt sich ums Update eines US-Klassikers von Dick Blakeslee, bekannt geworden durch Pete Seeger. So einen recht monumentalen Neunminüter ans Ende zu setzen, scheint fast schon so ein Waterboys-Pflichtbaustein wie die synkopisch zuckende Drum-Machine, jede Menge Elektronik- und Megaphon-Effekte, lustige Soundcollagen und Spoken Word-Abschnitte in charismatischem Erzähl-Gesangs-Yin-Yang. Die Stimme wird auch mal flexibel zum Percussion-Instrument, während der Informationsstrom der Lyrics nie abreißt und lange Stories auf den Adressaten nieder regnen.
Dabei fokussiert der Schotte sich auf rauere Klangfarben als sonst, schiebt die spröden und harten Bestandteile seiner Rezeptur nach vorne, auf Kosten der Rock-, Jazz- und Blues-Anteile früherer Werke. Fast jeglicher potenzielle Raum für frei stehende Passagen wird gnadenlos zugetextet. Was an stilistischer Vielfalt und Spannungsbogen fehlt, gleichen mittelgute Füller-Tracks, zum Beispiel das ruhig pluckernde "The Southern Moon", nicht aus. Selbst schwache Momente profitieren immerhin von der expressiven Stimme Scotts.
Die alte Regel gilt indes weiter: Es existieren nur gute Waterboys-Platten. Auch diese hier sinkt nie unter einen gewissen High Level-Standard. Ohrwürmer wie das kurze "Blackberry Girl" und die Hookline von "The Liar" ("when the liar was impeached") nimmt man gerne mit, dito den schwungvollen Soul-Rocker "Here We Go Again". Der enthält Hörspiel-Breaks, Straßenverkehr-Sound-Samples, Dialoge und schicke Geräusch-Spielereien. So weit die drei besten Songs des Albums.
"Hollywood Blues" demonstriert, dass The Waterboys in der Phase der New Romantics aufkamen und sich Scott damals manches, was seinerzeit Mode war, für später aufhob - antizyklisch. Was zugleich auch als Al Stewart-Tune der '70er (mit 'nem Schuss '80er) durchginge, bestätigt Scotts Retro-Vorliebe, die schon auf "Where The Action Is" ausgeprägt war. Das Saxophon bläst ein alter Bekannter aus James Browns und George Bensons Band, der legendäre Pee Wee Ellis. Da hatten die Waterboys Glück, denn Pee Wee dankte kurz nach den Aufnahmen gen Soul-Heaven ab.
Das ruhige "Once Were Brothers" profitiert vom - Mike ebenbürtigen - Talent Robbie Robertsons. Tolle Harmonien tütet Mike mit seiner Vorliebe für Theatralik gewandt ein. So erhebt er eine schlichte, sentimentale Ballade mit seinem aufgeweckten Vortragsstil zu etwas Lebhaftem. Mit schroffem Gniedel-Amplifier kommt dann noch eine halbe Minute lang Noise-Kunst-Flair auf. Das Original stammt aus einem aktuellen Film über Dylans jahrelange Begleit-Truppe The Band; jedoch erscheint die edle Nummer etwas flüssiger, schwebender, majestätischer, intimer, noch anmutiger, einfach besser.
Während der große Wurf ausbleibt, steckt die wahre Kraft der CD vielleicht im Text des unscheinbaren Songs "In My Dreams". Scott träumt von: King Crimson, David Bowie, Iggy Pop, Sly Stone, einer lebendigen Amy Winehouse, Viv Stanshall von der Bonzo Dog Doo-Dah Band (Anarcho-Britpopper, Vorbild für Death Cab For Cutie) und Thighpaulsandra, Tastenspieler und Trompeter für die Waterboys auf "A Rock In The Weary Land".
Die Reihung könnte klarer nicht sein: Scott steht für Art Pop mit einem gerne etwas verstörenden Unterton, trockenen Humor und die Verbreitung souliger Musikbestandteile zum Zwecke der Rassismusbekämpfung. Auch wenn die Umsetzung nicht nahtlos mitreißt, immerhin steht der 63-jährige Waterboy wirklich für etwas, und das gibt einem beim Hören ein gutes Gefühl.
1 Kommentar
Ideenlos, derselbe zusammengeschusterte Kram wie zuletzt.