laut.de-Kritik
Deutschlands bester Sound kämpft gegen den Ennui.
Review von Yannik GölzWas hat die Gemeinde nur auf eine Figur wie Trettmann gewartet. Der Mann, der alles kann. Der widerlegt, dass Deutschrap von der Welt abgehängt ist, keinen eigenen Sound und es schlicht und einfach mit dem Vibe nicht drauf habe. Und dann auch noch mit Balladen und Referenzen auf die ganz Großen von einem, der ewig im Game ist und sich schweren und wichtigen Themen annimmt. Hach, Trettmann. Manchmal ist diese Szene wirklich, wirklich leicht zu beeindrucken.
Aber stapeln wir nicht zu tief: Trettmann besitzt zwei Dinge, die hierzulande händeringend fehlen. Gemeinsam mit dem wieder und wieder gelobten Kitschkrieg-Team gehört er zu den visionärsten Sound-Designern der Republik und versteht sich darauf, einen Song auch mal abseits des Musters Strophe-Hook-Strophe-Hook aufzubauen. Und in einer Szene, in der es meist mehr um Mythos als um Musik, mehr um die Story als um den Song geht, beeindruckt das zurecht. Gerade Beatwechsel und Genre-Crossing wirken oft wie eine Königsdisziplin, die dieser Stall wie aus dem Handgelenk beherrscht.
Trotz alledem belegt dieses Self-Titled-Album, warum das unlängst spannendere "DIY" für den monumentalen Flair entweder auf Trettis Cinderella-Story oder auf zahlreiche hochkarätige Gäste angewiesen war. Denn weder textlich noch stimmlich ist es besonders weit her mit dem ikonischen Charakter des Protagonisten. "Trettmann" döst zwischen verhaltener Selbstbeweihräucherung, ein bisschen Nostalgie-Gekloppe und Trennungssongs, die mondän und ereignisarm verlaufen. Klingt in guten Momenten ("Hätten Wir Sein Können") ansprechend formuliert und melancholisch, bleibt aber in weniger guten ("Wenn Du Mich Brauchst") auch zähes Melodrama.
Die wahren Highlights gibt es in Form von brillanten Electro-, House- und Dancehall-Beat-Einblendungen, die an manchen Stellen wunderbar in die Soundkulisse einsetzen und Songs in unerwartete Richtungen drehen. Ganz großes Tennis ist der sphärische Synthesizer, der im letzten Drittel von "Bye Bye aka Delicious" einsetzt und einen ohnehin schon verloren treibenden Two Step-Beat in die Stratosphäre schießt. Ebenso ist "Stolpersteine" ein inhaltliches Highlight, das sich geschmackvoll und nachdrücklich, aber ohne erhobenen Zeigefinger mit deutscher Geschichte beschäftigt, getragen von einem wunderbaren Piano-Loop.
Im Gegensatz zum fokussierten Vorgänger kommen hier aber auch ein paar reichlich unspannende Passagen zum Vorschein: "Retro Shirt" ist so belanglos wie der Titel es vermuten lässt, "MDMDF" ist ein uninspirierter und wenig bissiger Club-Banger und sowohl in "Zeit Steht" als auch in "Wenn Du Mich Brauchst" übernehmen Sängerinnen aus der melodramatischen Kool Savas-Schule die trägen Gasthooks.
Da die wahrlich wundervolle Comeback-Geschichte von Trettmann 2019 nicht mehr im Fokus steht, kämpft sein innovativer Sound spürbar gegen die Gewöhnlichkeit. "Trettmann" ist somit ein klarer zweiter Schopf in den erfolgreichen "DIY"-Topf, was man dem Mann ja auch nicht verübeln mag. Die Highlight-Ausbeute fällt mit "Bye Bye aka Delicious", "Stolpersteine", "Hätten Wir sein Können" und "Margarete" jedoch nicht ganz so reich aus. Die Fillertracks legen eher den Verdacht nahe, dass der Performer Trettmann nicht unbedingt die magnetischste Persönlichkeit des Landes ist.
20 Kommentare mit 47 Antworten
War mir sicher dass hier 5/5 gegeben wird...aber extrem langweilige Platte
Das Album besteht gefühlt aus zwei Dingen. Erstens, Lovesongs. Zweitens, Partysongs. Gefällt mir. Die ersten 3 Songs fliessen fast perfekt. Mag diese uk elektro einflüsse. Der beatwechsel in retroshirt bremst den flow des albums. Die kitschige, eurodancenummer „zeit steht“ bremst es komplett aus. Schade. „Du weisst“ find ich etwas recycelt von älteren sachen. Mdmdf, ziemlich flott, hat eine leichte sogwirkung, sehr erfrischend. Danach folgt ein ziemlich flächiges, lovesong, stark getextet. Die darauffelgende reggeaton-nummer ist hervorragend produziert mit den vocals im beat. Vielleicht der beste deutsche song in dieser nische. Margarete sticht mit einer sehr ungewöhnlichen hook heraus. Die lyrics über die tochter sind ziemlich 0815. die vocals dafür top. Danke dafür. Und danke mir, das ich bis zum ende durchgehalten habe.
Favoriten: bye bye aka delicous, intro, hätten wir sein können
4/5
Das was der hier schreibt so in etwa! Bin relativ zufrieden. Hätte experimenteller sein können, funktioniert aber trotzdem sehr gut für mich.
Rezi kann ich größtenteils unterschreiben. Trettmann ist kein schlechtes Album, die ersten drei Songs auf dem Album sind wirklich dope, "Hätten wir sein können" gefällt, "Du Weißt" ist nicht gerade originell, aber ballert, und selbst "Zeit Steht" gefällt mir, wenn auch die Hook... nunja... nicht ganz geschmackssicher ist. Der Rest schwankt zwischen okay (Margarete) und z.T. wirklich übel (MDMDF). Der Sound ist nach wie vor konkurenzlos, ich feier aber auch diesen 2000er UK Garage/Twostep flavour. Thematisch (Ausnahme: Stolpersteine) und von der Wortwahl ist mir das aber echt etwas zu generisch. Die Qualität von DIY hält es nicht. 3/5 sind okay, denke ich.
"Deutschlands bester Sound" ? Gäääääähnn..
Retro Shirt! Intro! Stolpersteine! Bye Bye Delicious!
Boooooom, hat mich von Sekunde eins abgeholt! Seit DEM Release dieses Albums bin ich plötzlich Trettmann Anhänger... Noch nie hat ein Musikalbum sowas mit mir gemacht...
Ich bin eigentlich ein Freund der späten 90er und 2000er Hamburg Stuggi Hip Hop Szene...
Diese "neuen" Sachen haben nie gezogen bei mir... CLOUD RAP Autotune... Kotz!
Aber Trettmann... Ich höre es rauf und runter! Einfach weil ich es Delicious finde!
-.-
Tori, wieso "-.-"? Das hätte 1zu1 auch von dir kommen können.
Die wunderbare Alli Neumann in die Riege der blassen „Kool Savas Sängerinnen“ einzuordnen ist ein grobes Foul!