laut.de-Kritik
Viel mehr als eine dadaistische Karnevalsszenerie.
Review von David HutzelWas sich ausspricht wie der Versuch eines Kleinkinds, mit seiner Umgebung zu kommunizieren, ist in Wahrheit der Titel des dritten Tune Yards-Albums. "Nikki Nack" - diese scheinbar willkürliche Aneinanderreihung von Lauten und Buchstaben beschreibt die Musik erstaunlich treffend: Die 45 Minuten sind eine dadaistische Karnevalsszenerie, mit Tagträumen aus der Kindheit verschwimmend.
Nicht selten fällt einem deshalb das Zuordnen, das Sortieren der einzelnen Soundelemente schwer. Neben Drums setzt Merrill Garbus allerhand perkussive Elemente ein, deren unterschiedliche Muster sie dann loopt und übereinander legt. Einzig die groovende Bassgitarre von Nathaniel Brenner, dem zweiten Bandmitglied, gibt noch Orientierung mit. Und sorgt dafür, dass den Songs der üppige Pop-Appeal nicht abhanden kommt.
"Nikki Nack" ist deutlich eingängiger geraten als seine beiden Vorgänger, nur noch wenig zeugt davon, dass das Debüt 2009 noch stark an CocoRosie erinnerte. Diesem Fakt zuträglich dürfte sein, dass die Band auf "Nikki Nack" in Sachen Produktion zum ersten Mal Hilfe von außen bekam.
Malay, in dessen Referenzen unter anderem Alicia Keys und Frank Ocean zu finden sind, verleiht den Tracks eine gewisse Dosis R'n'B. Das fügt sich mit Garbus' Stimme (die hier und da an ihr großes Vorbild Nina Simone erinnert) dann zu großen Momenten wie "Real Thing" zusammen.
Nur Sekunden später zielen Garbus und Brenner dann in eine ganz andere Richtung: Zwar besitzt "Sink-O" einen von Soul dominierten Part, ansonsten erinnert der Track aber eher an Fabrikarbeit. Cyborgs im Gleichschritt – eben irgendwie ein bisschen Age Of Adz. Anschließend noch ein kleines Hörspiel gefällig? Interlude: Why Do We Dine On The Tots?" perfektioniert den Archetyp des Weirdo-Moments.
Wen überrascht es da noch, dass Merrill Garbus in einem Interview kürzlich einbrachte, dass "Nikki Nack" eigentlich ein sehr politisches Album sei. Und hört man genau hin, dann versteht man sie, die Kritik an verrottender Gesellschaft und Alltagsrassismus. Indem Garbus diese unbequemen Fragen so unbefangen in einen völlig anderen Kontext wirft, macht sie klar: Vielleicht sollte man die Welt öfters aus einer anderen, einer kindlicheren Perspektive betrachten.
1 Kommentar
Dass sich "Water Fountain" in der Liste der Videos des Jahres findet, freut mich. Und in meiner Jahresliste findet sich das Album auf der 20.