laut.de-Kritik
Eine experimentelle Retrospektive: vom Makro- zum Mikrokosmos.
Review von Hannes WesselkämperDer ewige Entdeckungsreisende der amerikanischen Seele nimmt sich in "The Age Of Adz" eine Auszeit. Sufjan Stevens wandert vom Makrokosmos der Mythen und Geschichten aus dem Herzen der USA zum Mikrokosmos seines Inneren. Wie ein Brummkreisel dreht sich der Instrumentalvirtuose in unverhohlener Selbstreflexion um sich selbst. Sowohl textlich als auch musikalisch gebiert er ein Album, das enger als jeder Vorgänger an der Materie Sufjan Stevens arbeitet.
"The Age of Adz" vereint als experimentelle Retrospektive Elemente aus verschiedenen Ecken seines Oeuvres. Die Werkschau ist ein von klassischem Stevens-Folk beeinflusstes Electronica-Experiment samt Orchesterstücken mit opulenten Chorälen. Das alles kennt man bereits aus vergangenen Alben: Elektronisches aus "Enjoy Your Rabbit", Orchester aus "The BQE" und bunter Gitarrenfolk aus "A Sun Came" oder "Seven Swans".
So wabert über "Too Much" ein Teppich aus elektronischen Frickeleien, der stets löchrig ist, damit Blechbläser und Klarinetten durchscheinen können. Der Song ist dabei – wie das ganze Album - sehr inkohärent, bricht immer wieder auf: zwischen Chorgesang und zappelnden Störgeräuschen hat es Stevens' Stimme schwer. So ist jedoch der Charakter des Albums, denn in anderen Gefilden des Longplayers überwiegt dann sein zarter Gesang. "I Walked" punktet mit Synthie, ein wenig Beat und hallender Stimme vor allem mit seiner Reduziertheit.
"I know I've caused you trouble / I know I've caused you pain / but I must do the right thing / I must do myself a favor and get real, get right with you", derartige Zeilen mag man beim ersten Hören auch auf das Album beziehen. Sufjan Stevens stößt den Hörer vor den Kopf, überlädt ihn mit einer kaum zu kompensierenden Detailfülle. Das sehr persönliche Machwerk nimmt kaum Rücksicht und verfolgt stets sein eigenes Ziel: "Sufjan, follow your heart / follow your flame", heißt es in "Vesuvius".
"The Age Of Adz" ist das komprimierte Gesamtwerk des Sufjan Stevens. Wie eine Brausetablette muss es sich zunächst entfalten, bevor es nach etwa dreimaligem Hören gut wird. Richtig gut. Wer dem Album den Freiraum gibt, der erkennt (wieder einmal) die nachhaltige Brillanz des Folk-Feinmechanikers. Zwischen Pomp ("The Age Of Adz") und Melancholie ("Vesuvius") gibt es allerlei Details zu entdecken.
Wem das noch nicht reicht, der sei auf die enorme Laufzeit des Albums verwiesen. Der Schlusstrack "Impossible Soul" geht allein 25 Minuten und vereint etwa vier Lieder in sich. Nach über zwanzig Minuten beschert uns Stevens dann doch kurz mit schlichter Akustik. Die drei Schlussminuten gehören zu dem Besten, was der Mann in den letzten Jahren komponiert hat.
5 Kommentare
wie ich mich drauf freue oO
habe ich auch... aber jetzt wünschte ich mir, irgend Jemand würde ihm seinen Synthesizer um die Ohren hauen. Bei dem ganzen Gezirpe und Gepiepse kriege ich Ohrenkrebs. Schade!
Der Wille zur Innovation. Zum neuen Sufjan Stevens-Album:
http://www.davidkern.at/?p=1161
Naja, ic hwar zuerst auch entäuscht darüber das er musikalisch wieder in die Richtung seiner ersten Alben ging, grade weil ich von Michigan und Illinoise (inkl. Avalanche) so begeistert war. Aber nach mehrmaligem hören finde ich es immer besser, grade "futile devices" finde ich eines seiner stärksten Lieder.
Am Anfang war ich enttäuscht, aber letztendlich hat es nur mehr Durchgänge gebraucht bis icvh mit diesem Album warm geworden bin. Hitter dem Zirpen und den Synthies steckt sehr viel Struktur die sich mir erst auf den 3. Blick eröffnet hat. Tolles ALbum!