laut.de-Kritik

Unerträgliches Schröpfen armer Fanseelen.

Review von

Die Marketing-Strategie "Wir hören auf und machen ein letztes Album mit Abschiedstournee" funktioniert jedes verdammte Mal genauso gut, wie wenn Arjen Robben von rechts außen nach links Richtung Tor dribbelt. Man weiß was kommt und trotzdem gelingt es: Unheilig verkündeten 2014 ihren Rücktritt samt Abschiedstour. Plötzlich erschien dann doch noch ein Album plus Tournee plus eine MTV Unplugged-Scheibe.

Hat es sich jetzt ausgegraft? Nö! "Von Mensch Zu Mensch" soll das allerallerallerletzte Abschiedsgeschenk für seine treuen Untertanen sein, denn der glatzköpfige Barde geht nicht einfach so. Nein, er geht mit einem neuen Stück Musik. Spült ja nochmal Geld in die Kassen.

Wieso schämt sich der Aachener eigentlich nicht für diese frappierende Dreistigkeit? Die beiden Abschiedstourneen "Zeit Zu Gehen" und "Ein Letztes Mal" müssten doch alleine vom Titel her sein schlechtes Gewissen ansprechen. Aber wie er selbst gern zu Protokoll gibt: "Ich schreib' ein letztes Lied und schau' so gern zurück". So bereitet das Schröpfen armer Fanseelen natürlich Freude.

Die Instrumentals "Auf Ein Letztes Mal" und "Für Alle Zeit" umranden dieses Machwerk widerwärtigster Popmusik mit melodramatischer Bratsche und seichten Streichern. Beide Songs sind übrigens identisch, nur geht letzteres länger als das Intro. Für wie blöd hält der Graf seine Gefolgschaft?

Auf den restlichen 14 Liedern zelebriert der Sänger hoffentlich zum letzten Mal alles erdenklich Schlechte aus Schlager, Goth und Pop. "Egoist" und "Funkenschlag" biedern sich Rammstein an mit 30 Seconds To Mars-Schlagzeugspiel, nur in ultramies. Weinerliches Runterbeten von Kalendersprüchen findet man im Titeltrack, bei "Einer Von Millionen", "Der Sturm" und "Krieger". Schlagerbeats mit Synthies direkt aus der Hölle ertönen in "Ein Wahres Glück" und "Legenden" sowie leblos-pathetischer Stadionrock in "Mein Leben Ist Die Freiheit".

Textlich gestaltet sich diese 70 Minuten andauernde Tortur langweilig, uninspiriert und gnadenlos schwülstig. Glück, Freiheit, der große Moment, das lyrische Du, Seele, Sterne – alles Begriffe, die zuhauf fallen und Geschöpfe geistiger Brachlandschaft ansprechen. Anscheinend gibt es ja genügend von denen.

Zwei ganz besondere Straftaten markieren zum einen "Ich Würd' Dich Gern Besuchen", das mit ekelhaftem Gefühlsschlonz malträtiert: "Ich glaub' daran, dass die Sterne, die wir sehen / all jenen den Weg leuchten, die einmal von uns gehen." Zum anderen der Trommelfell-Zerstückler "Walfänger". Diese Missgeburt aus Rammstein und Tokio Hotel-Anleihen ist mit Abstand das unerträglichste musikalische Stück Dreck auf Gottes Erdboden.

So bleibt einzig und allein der Appell an Unheilig, endlich loszulassen und die Menschheit von der Schreckensregentschaft des Grafen zu erlösen. "Ich wünsche mir kein Mitleid / keinen tröstenden Blick", heißt es im Titelsong. Den bekommst du auch nicht, sondern ein boshaft schallendes Lachen, wenn die letzte Schaufel mit Erde auf deinen Sarg fällt.

Trackliste

  1. 1. Auf Ein Letztes Mal
  2. 2. Egoist
  3. 3. Von Mensch Zu Mensch
  4. 4. Einer Von Millionen
  5. 5. Mein Leben Ist Die Freiheit
  6. 6. Funkenschlag
  7. 7. Ich Würd' Dich Gern Besuchen
  8. 8. Ein Wahres Glück
  9. 9. Legenden
  10. 10. Heimatlos
  11. 11. Der Sturm
  12. 12. Tausend Rosen
  13. 13. Walfänger
  14. 14. Krieger
  15. 15. Ein Letztes Lied
  16. 16. Für Alle Zeit

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