Porträt

laut.de-Biographie

Ween

Das verschlafene Nest New Hope in Pennsylvania ist 1984 Schauplatz sonderbarer Vorgänge. Ein schelmischer, aber böser Dämon namens Boognish schippert in seinem Poopship ("Kackschiff") aus dem Paralleluniversum vorbei und erscheint den beiden verhaltensauffälligen Vierzehnjährigen Mickey Melchiondo und Aaron Freeman. Er ergreift Besitz von ihnen und beauftragt sie mit der Missionierung des Diesseits mit Mitteln der Musik.

Ween: Aus dem Ruhestand zurück
Ween Aus dem Ruhestand zurück
Gene und Dean Ween wieder vereint: Nach dreieinhalb Jahren Funkstille kommen die beiden für zwei Konzerte zusammen.
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Seitdem spuken sie als die verwunschenen Kobolde Dean und Gene Ween in der Popwelt herum, um vorwiegend amerikanische Genres wie Country, Folk und Rock 'n' Roll durch den Kakao zu ziehen. Apropos Kakao: ihre Farbe ist braun und sie zieht sich durch ihr komplettes Werk wie die Spuren in Toiletten. Ween verarbeiten alles Braune zu Musik, sei es Scheiße oder Schokolade.

Vor dem Genuss ihrer Alben sollte man sich jedenfalls zuerst der englischen Sprache bemächtigen und den Beipackzettel sorgfältig durchlesen. Wenn man die Texte schlecht versteht, könnte man vieles für nette, unschuldige Liebesliedlein halten. Ween verpacken in harmlose Melodien gemeingefährliche Boshaftigkeiten von messerscharfer Parodie und schamlosem Zynismus. Sie sind brillante Musiker (vor allem live) und verzaubern durch komplexe Popharmonien mit oft tragischem Charme.

Dabei sind sie aufmerksame Beobachter der amerikanischen Redneck-Gesellschaft und bewerfen diese mit ihren eigenen Fäkalien. Nebenbei fackeln sie deren Vorortromantik in spitzbübischem Gelächter ab und trampeln die Asche in den (braunen) Boden. Zugleich führen sie aber genau dieses selbe, beschauliche Dasein in der pennsylvanischen Provinz, sind verheiratet und haben Kinder. Alles nur Tarnung, denn so ein Kobold muss eben unauffällig bleiben und ist deswegen die meiste Zeit unsichtbar, bevor er wieder zuschlägt.

Noch unerkannt bastelten sie im heimischen New Hope an zahllosen Tracks herum, bis einer Veröffentlichung ihres ersten Demotapes "The Crucial Squeegie Lip" auf ihrem eigens dafür erschaffenen Label Bird O'Pray nichts mehr im Wege steht.

Zwischen '86 und '89 erscheinen noch einige Tapes und Independent-Releases. Dann ist der Grundstein für das Verderben der Popmusik gelegt, denn kurz darauf erhalten sie einen Vertrag mit dem Indie-Label Twin/Tone in Minneapolis. 1990 erscheint dort ihr Debüt-Doppelalbum "GodWeenSatan: The Oneness". Ween experimentieren darin ausgiebig mit Helium und Magic Mushrooms und erreichen eine seltsame Kopulation zwischen Hardcore und Prince.

Aber so ein Kobold wie die beiden Weener ist ja eigentlich keine reine Witzfigur, die sich nur über alles lustig macht. Sein Motiv ist grundsätzlich das Böse. Auf ihrem 91er Release "The Pod" unter dem Shimmy Disc Label zeigen sie erstmals ihre wahre morbide Seite und schwanken dabei zwischen Folk und Hard Rock hin und her. Die Fangemeinde wächst darauf immens und beschert ihnen den Majordeal mit Elektra. In Sachen Dachschaden verlangt diese Situation nur, noch einen weiteren Scheit ins Feuer zu werfen. Elektra ist bereit für einen neuen Skandal, die Songs aus "Pure Guava" sollen zu ihrem durchgeknalltesten Output ever werden. Titel wie "Flies On My Dick" und "Hey Fat Boy (Asshole)" sind jenseits jeglicher P.C.-Gürtellinie. Das Thema Kindesmisshandlung in einem schnulzigen Tingeltangelsongs abzuhandeln, hat bis dato niemand gewagt.

Neben all den Bösartigkeiten und Faxen schaffen es Ween 1994 wieder, wundervolle Poptunes zu entwerfen. Allerdings wird das gerade Erschaffene sofort durch Beifügung bissiger bis geschmackloser Texte eingerissen. Beste Beispiele sind "Spinal Meningitis (Got Me Down)", "Baby Bitch" oder der total schräge "HIV Song", allesamt auf "Chocolate And Cheese" erschienen. Dieses Album markiert den kleinsten gemeinsamen Nenner, auf den sich alle Anhänger der Ween-Sekte einigen können. Der kommerzielle Durchbruch ist aber nicht erst spürbar, als die Playboy-Leser das unanständige Mädchen auf dem Inlay zum Covergirl des Jahres machen. Ween-Songs gehören zum populärsten, was das damalige College-Radio zu bieten hat.

Ween - Live In Chicago
Ween Live In Chicago
Der Altar der falschen Brüder ist die Bühne, nicht das Studio ...
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Dieses ist nicht der letzte Streich, denn der nächste folgt sogleich. Eine wichtige heilige Kuh der amerikanischen Spießerkultur wartet 1996 nur auf ihre Schlachtung durch die Hände von Max und Moritz aus New Hope. Ween schließen sich zu Sessions in Nashville ein, um mit lokalen und nationalen Größen ein paar Tracks aufzunehmen. "12 Golden Country Greats" kommen dabei heraus und entpuppen sich als bizarre Best Of Compilation des Genres.

"The Mollusk" wird 1997 zu ihrem zweiten Konzeptalbum. Eine Mischung aus Disneyland und Seaworld im Musical-Gewand. Feine Balladen ("It's Gonna Be (Alright)") wechseln sich mit Klamauknummern ("Waving My Dick In The Wind") ab und hinterlassen ein seltsames Gefühl bei Kritikern und Fans. Trotzdem gerät "The Mollusk" zu ihrem größten Erfolg. Zwischendurch bringen sie einige Livemitschnitte von 1990 bis 1998 auf Tonträger und verharren zwei Jahre im Kleinstadtidyll. Dort entsteht 2000 ihr letztes Album bei der Warner-Tochter Elektra. "White Pepper" sollte eigentlich auf Kuba unter dem Arbeitstitel "Bananas And Blow" aufgenommen werden. Obwohl die lazy Boys den Stress eines Studioumzugs über Kanada nach Kuba dann doch nicht in Kauf nehmen wollen, bleibt die Thematik allemal die selbe.

Nach dem merklichen Abebben dieses kleinen Ween-Hypes veröffentlichen sie unter ihrem eigenen Label Chocodog noch zwei weitere trashige Liveplatten, die sie exklusiv über ihre Website verscherbeln. Der Vertrag mit Warner hat noch Bestand, als sie für den Score einer Sitcom des Medienmultis ("Grounded Fo Life") verpflichtet werden. Sie schlagen sich noch mit der Vertonung von Werbesendungen durch, bis sie 2003 zu Sanctuary Records wechseln. Dort entsteht zunächst "Quebec", die wahrscheinlich ruhigste und am wenigsten durchgeknallte Scheibe ihrer Laufbahn. Ebenfalls gut hörbar und trotzdem sehr abwechslungsreich fällt der Rückblick "Shinola" (2006) aus. Die Scheibe enthält Remixe und übrig gebliebene Schnipsel und erscheint vielleicht auch deshalb auf Schnitzel Records.

Im Sommer 2007 erscheint als Vorbote zum neuen Album die "The Friends"-EP, mit der Ween sich wieder zwischen alle Stühle (Stile) setzen - die Bandbreite reicht von Reggae über Alternative Rock bis hin zu einem Eurodance-Track. Das Studioalbum "La Cucaracha" erscheint kurz darauf und avanciert letztlich jedoch zum Abschiedswerk der bunten Vögel. Kurz vor Weihnachten 1997 spielen sie ihre letzten Konzerte in Europa.

Danach bleibt es lange still um das Duo. Erst 2012 lässt Gene Ween per Rolling Stone wissen, dass das Kapitel Ween zu Ende ist: "Es ist Zeit, nach vorne zu blicken. Gene Ween geht in Rente. Es war ein schöner Trip". Mit "Marvelous Clouds" erscheint im selben Jahr Genes Solodebüt, allerdings unter seinem richtigen Namen Aaron Freeman.

Ween gehen dreieinhalb Jahre lang getrennte Wege und treten als 'Freeman' und 'The Dean Ween Group' auf. Dean Ween spielt u.a. auch auf Nick Oliveris Album "Leave Me Alone". 2015 geben sie ihre Reunion bekannt und kündigen zwei gemeinsame Konzerte an. Das Duo liefert 31 Jahre nach seiner Gründung wieder die ausgiebigen Live-Shows ab, für die es bekannt ist. 2016 erscheint Dean Weens "The Deaner Album", gefolgt von "Deaner Rock 2" (2018).

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Ween - Live In Chicago: Album-Cover
  • Leserwertung: Punkt
  • Redaktionswertung: 5 Punkte

2004 Live In Chicago

Kritik von Joachim Gauger

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  • Gene Weene

    Eine Hälfte der Kapelle.

    http://geneween.com/
  • The Dean Ween Group

    Die andere Hälfte.

    http://thedeanweengroup.com/

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