laut.de-Kritik
Der Altar der falschen Brüder ist die Bühne, nicht das Studio ...
Review von Joachim GaugerGelten normalerweise neue Studioalben als dick im Kalender markierte Höhepunkte jedes Fan-Jahres, so erlangt das Ween-Anhängertum nur im Besuch eines Livekonzertes seine vollendete Erfüllung. Der Altar, auf dem die falschen Brüder Dean und Gene Ween die Messe abhalten und ihre musikalischen Opfer darbringen, ist die Bühne, nicht das Studio.
Hier allein finden sie zu ihrer wahren Bestimmung und reißen die Hörer zu regelrechten Jubelstürmen hin. Auch auf dem in Chicago aufgezeichneten Konzert von der Tour 2003 werfen sich Ween wieder mit unglaublich ansteckendem Enthusiasmus in ihre Songs. Die Bandbreite an Stilen und Stimmungen, die sie mit ihren Liedern bespielen können, ist ja mittlerweile kaum noch überschaubar. Wobei sie sich auf der jüngsten Tour wenigstens an ihren eigenen Backkatalog hielten und die früher üblichen, ausführlichen Exkursionen in die reichhaltige Geschichte der Südstaaten-Sounds unterließen.
Trotzdem ging auch im Jahr 2003 ein Ween-Konzert selten unter drei Stunden ab. Zwar beträgt die Spieldauer der DVD "nur" zwei Stunden, die enthalten aber dann auch wirklich zwei Stunden Musik - alle längeren Pausen sind heraus geschnitten. Außer einem (sehr schönen) Video von "Transdermal Celebration" und der Wahl verschiedener Blickwinkel bei einigen Songs enthält die DVD keine weiteren Features - kann sie auch nicht, da sie eben bis an den Rand mit Live-Musik voll gestopft ist.
Nach einem furiosen Auftakt mit "Buckingham Green" vom "The Mollusk"-Album löst "Spinal Meningitis (Got Me Down)" von "Chocolate And Cheese" erstmals Tumulte aus, die sich wiederholen, wenn Dean Ween mit den Worten "Its chocolate time, chocolate-party!" später noch einmal mehrere Songs von diesem Ween-Klassiker ankündigt.
Spätestens da zeigt sich, dass Ween mittlerweile überall auf der Welt Heimspiele feiern kann, mit einem textsicheren Publikum im Rücken. Dabei ist es wieder vor allem der stets schelmenhafte Ausdruck in den Gesichtern der Ween-Brüder, der die Wirkung der meist zwischen anarchistisch und jugendgefährdend pendelnden Texte verstärkt. Daneben beeindruckt wieder einmal die unglaubliche Bühnenpräsenz sowohl von Gene Ween, der die meisten Songs singt, als auch von Dean Ween, der meist die Zweitstimme übernimmt und die Leadgitarre spielt.
Mag sein, dass Dean an der Gitarre schon bessere Abende gesehen hat, bei den hard-rockigeren Stücken wirken seine Soli teilweise etwas uninspiriert. Aber spätestens wenn er, nun selbst als Leadsänger, mit "The Blarney Stone" das furiose Finale bestreitet, ist solche Erbsenzählerei vergessen. Am Schluss nimmt sich die Kamera dann doch noch zehn Sekunden Zeit für einen Schwenk ins Publikum und zeigt dabei ausschließlich überglückliche bis enthusiastische junge Menschen. Schade ist allenfalls noch, dass eben dieses Finale auf der beigelegten Audio-CD keinen Platz mehr fand.
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