laut.de-Kritik
Selbstbetrachtung und purer Genuss: eine Folk-Platte erster Güte.
Review von Hannes WesselkämperDass William Fitzsimmons eigentlich den Beruf des Psychotherapeuten erlernt hat, weiß man inzwischen. Auch ist sein musikalisches Werk eng an persönliche Einschnitte seines Lebens gebunden. Das hat man spätestens im Kontext seines letzten "Albums" gelesen. Und ja, seine Eltern waren beide blind, was zu einer selten intensiven Beziehung zur Musik führte, das bestreitet niemand.
Wo aber übersteigt der Diskurs den reinen Genuss? Geht noch jemand darauf ein, dass Fitzsimmons seit Jahren wie kaum ein anderer innovative Folk-Musik zu Tage bringt? Gerade sein viertes Werk "Gold In The Shadow", ein Werk der psychologischen Selbstbetrachtung des Post-Beziehungschaos', falls man diese Herangehensweise bevorzugt, unterstreicht wieder mal das breit gefächerte musikalische Spektrum – zwischen Grey's Anatomy und ländlichem Illinois(e).
Selten zeigt sich, wie wichtig richtiger Einsatz bei guter Musik ist. Ob bei elektronischer oder 'handgemachter' Musik – Fitzsimmons verbindet beides seit Jahren – ist exaktes Timing nicht hoch genug einzuschätzen. Schon der Opener "The Tide Pulls From The Moon" verzaubert nach wenigen Takten. Wenn dann jedoch zum richtigen Zeitpunkt ein Rhythmuswechsel kommt, auf den feenhafter Backgroundgesang folgt, wird eben Gehörtes schnell obsolet. Was gerade noch gut war, wandelt sich übergangslos zu brillant.
Die Soundpreziosen des introvertierten Bartträgers wachsen an ihren Aufgaben: Je mehr Spuren sich abwechseln, desto homogener erscheinen die Klangwelten. Das klingt zwar nach einem Paradoxon, löst sich aber spätestens nach "Bird Of Winter Prey" in Wohlgefallen auf. Dezentes Schlagzeugspiel, zurückhaltende Gitarren, breit angelegte Streicher und Fitzsimmons' melancholische Singstimme wechseln in verschiedener Präsenz, dabei in jeder angebotenen Kombination stets äußerst verzückend.
Harmonie scheint allgegenwärtig: Während Folk-Traditionalisten spätestens beim Banjo-Anschlag des dritten Songs "The Winter From Her Leaving" ins Träumen verfallen, werden diese wohl kaum beim überwiegend elektronischen "Fade And The Return" zusammenzucken.
Den schmalen Grat des Folktronica bewandert der Amerikaner bereits zu lange, um sich auf diesem Feld Fehler zu leisten. Wer sich übrigens noch an Six Pence None The Richer ("Kiss Me") erinnert, wird überrascht sein, die mittlerweile 35-jährige Leigh Nash als Duettpartnerin in "Let You Break" zu hören. Vor allem, da sie sich mehr als annehmbar schlägt.
"Gold In The Shadow" mangelt es weder an Ehrlichkeit, Melancholie oder Heiterkeit, auch musikalische wie instrumentelle Finesse bleiben nicht auf der Strecke. Auf einschlagende Innovation sollte man nicht unbedingt hoffen, aber was macht das schon, bei einem Künstler, der seit sechs Jahren auf regelmäßiger Basis hochwertigen Folk abliefert.
Da Sufjan Stevens bereits vergangenes Jahr veröffentlichte und Elliott Smith schon viel zu lange tot ist, kann man sicher sein, dass dieses Jahr nur wenige Folk-Alben dieser Güte erscheinen werden.
13 Kommentare
Noch eine Review zum selben Album auf cigarettes in hell. http://cigarettes-in-hell.blogspot.com/201…
...die auch rechtschreib-technisch eine alternative bietet.
ach, die cigarettes in hell wieder. eine perfekte seite, da ich mir ein album mit sicherheit zulegen kann, wenn es dort eine niedrige bewertung bekommen hat und vice versa.
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die youtube clips haben ganz schön umgehauen. ich glaube, das wird das erste folk album seit dem fleet foxes debut, was ich mir wieder kaufe.
ach andi, ich bete für deine geschundene seele.
oh, interessant. nun weiß ich auch, wieso so unglaublich viele leute über laut.de zu meinem blog kommen. ich bedanke mich, unorigineller_name.
Der Monk sollte sich echt mal wieder rasieren. Im Gesicht.