laut.de-Kritik

Letztes Lebewohl an eine untergegangene Epoche.

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Ein wenig gestrig wirkten die 257ers schon vor gut zehn Jahren. In Zeiten multipler Krisen erscheinen die beiden immer grienenden Rapper, die einfach nur harmlosen Blödsinn bauen wollen, jedoch so aus der Zeit gefallen wie ein TV Total-Comeback. Mit anarchischen Zeilen und CatDog-Cover klammern sich Mike und Shneezin auf "Das Ende Vom Anfang" noch einmal an unbeschwerte Zeiten.

Zunächst einmal holen die Essener den Hardcore-Hammer heraus, um kräftig "Alarm" zu schlagen. Der 257ers-Zirkus trötet beim Einzug in die Stadt und wirft mit Flachwitzen und Zweckreimen um sich. Manchem treibt das die Schamesröte ins Gesicht – Massiv etwa. Sein lakonischer Interview-Diss fügt sich problemlos ins selbstironische Konzept ein. "257ers ist einfach nicht gut, aber die bauen sich über die Jahre hinweg einfach 'ne Community drauf auf, dass es nicht gut ist", analysiert der Berliner und die Adressaten fühlen sich mit "Cringe Shit" noch geadelt.

Natürlich gehört zu den 257ers auch der pubertäre Humor, der sich mit Gifs vom kichernden Spongebob hinreichend visualisieren ließe. In "Eichhörnchenschweif" huldigen sie dem buschigen Anhang der drolligen Nager, was naturgemäß für wieherndes Gelächter in allen Grundschulklassen sorgt – Stichwort 'Schwanz'. Als ultimativen Liebesbeweis romantisieren sie den zeitgleich verrichteten Stuhlgang in "Groß". Zugegebenermaßen ziehen sie ihre Lovesong-Persiflage herrlich absurd auf: "Ich seh' uns beide, zwei Toiletten, tiefer Blickkontakt, während wir pressen."

Analfixiert steigt Shneezin in "Popstar" ein, das den abgehobenen Zynismus erfolgreicher Kollegen karikiert: "Es ist keine Kunst, auf einen Teller zu scheißen, sondern dass die Idioten davon 'ne Kelle verspeisen." Im poppigen Gewand prangern der ehemalige Verfahrensmechaniker und der ebenso ehemalige Kassierer das fragwürdige Leistungsprinzip an: "Ihr seid nur so viel wert, wie ihr leistet – und ich reich. Dabei mach' ich 'n Scheißdreck."

Da paradiesische Strände für einen Großteil ihrer Gefolgsleute schon aus finanziellen Gründen schwer erreichbar sind, träumen sich die 257ers kurzerhand in den "Sand". "Auf braune Bänke und graue Wände malen wir unser Bild von Traumstränden", fordert Shneezin zum südländischen Flair des Instrumentals dazu auf, die karge Heimat aufzuhübschen oder zumindest die Schönheit in der Tristesse zu suchen: "Im Beton ist doch Sand drin." Obwohl sie eine Sommerhit-Ästhetik bemühen, scheint Schwermut durch dieses Album-Highlight. "Hier scheint ja ab und zu mal auch die Sonne."

"Versuche Mich Zu Bessern", beteuern beide Rapper und reden sich im selben Atemzug klein zu verpeilten Versagern. Vermeintlich ironisch versichert Mike, dass nun "neue Werte" sein Leben prägen. Damit dürfte er jedoch näher an der Wahrheit liegen als mit dem demonstrativen Losertum. Während sie etwa vor wenigen Jahren im Interview noch eine lockere Einstellung zu Belästigung und unaufgeforderten Nacktauftritten an den Tag legten, beenden sie das Album mit "Onlyfan", einem Song über das klägliche Verhalten von Online-Belästigern, die fröhlich Dickpics verteilen.

Am deutlichsten verlassen 257ers ihre Rolle in "Tausend Mal Du", das sich salbungsvoll an den eigenen Nachwuchs richtet: "Gab' dir dein Leben, doch seitdem würde ich meins dafür geben." Hier weht bereits der Abschied durch die Zeilen. Und es handelt sich nicht nur um den wehmütigen Abgesang auf Selfmade Records, die Mike und Shneezin mit diesem Album endgültig den Rücken kehren. Es könnte auch das Ende der eigenen Kindsköpfigkeit – ihres biografischen Anfangs – bedeuten. So fungiert "Das Ende Vom Anfang" als ein letztes Lebewohl an eine längst untergegangene Epoche.

Trackliste

  1. 1. Alarm
  2. 2. Cringe Shit
  3. 3. Eichhörnchenschweif
  4. 4. Nicht In Diesem Ton
  5. 5. Popstar
  6. 6. Sand
  7. 7. Tausend Mal Du
  8. 8. Versuche Mich Zu Bessern
  9. 9. Allerbester
  10. 10. Groß
  11. 11. Nicht Zu Dir
  12. 12. Onlyfan

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