laut.de-Kritik
Superkraft: die totale Hemmungslosigkeit.
Review von Dani Fromm"Kinder dieser Erde, nehmt bitte keine Drogen, denn Drogen machen doof." Wie um die eigenen Worte zu untermauern, stimmen Mike und Shneezin, beide nicht gerade für ihre besonders asketische Vergangenheit bekannt, den Abstinenzler-Choral "Wasser" an. Ein Album, das mit diesem legitimen Nachfolger der Schunkel-Nummer "Holz" beginnt und (genau so grauenhaft) auf einem autogetuneten Schlagerheuler wie "Sag Mal" endet, kann, nüchtern betrachtet, wirklich gar nichts taugen.
Zum Glück nähert sich niemand, der auch nur minimal bei Trost ist, dieser Crew in der Absicht, irgendetwas nüchtern zu betrachten. Hoffentlich tut das niemand! Ein solches Vorhaben ist zum Scheitern verurteilt, genau wie jeder müde Versuch, sich im Angesicht der 257ers als distinguierter Musikconnaisseur zu inszenieren, der sich naserümpfend über diesen Amoklauf durch diverse, teils schaurig Bierzelt-kompatible Musikstile, gepaart mit einer Überdosis dauerpubertärem Fäkal- und Pimmelhumor mokiert.
Sehen wir also besser gleich den Tatsachen ins Auge: Die größte Schwäche der Herren aus Essen-Kupferdreh ist zugleich ihre Superkraft - die totale Hemmungslosigkeit. Ja, es kommt (siehe oben!) teils Fürchterliches dabei heraus, wenn man zusammen mit irgendwelchen Genregrenzen auch gleich die des guten Geschmacks mit niedertrampelt. Aber eigentlich zeugt es auch von bewunderns- wie beneidenswerter künstlerischer Freiheit.
Nie, wirklich nie, erwecken die 257ers auch nur den leisesten Eindruck von Trendhurerei. Sie machen, was immer sie wollen, wann, wie und mit wem sie wollen. Sie wollen zu scheppernden E-Gitarren Richtung Sonnenuntergang reiten, auf ihrem eleganten "Roboterpferd" - und machen das. Sie wollen sich den gutaussehenden, aber hohlen Lackaffen statt schön (das isser ja schon) "Schlau Saufen" - und machen das.
"Vom Saufen Kriegt Man Durst", deshalb wollen sie zur Begleitung eine Bier-Punk-Schrammel-Hymne vom Stapel lassen - und machen das. In der "Warteschleife" wollen sie Alligatoah die Hook singen lassen - und machen das. "Keiner Hat Geburtstag", sie wollen trotzdem feiern? Die 257ers packen Dancehall-Vibes, bratzigen Bass, dunkle orientalische Tonfolgen und Zwischenrufe aus, die einem Tony D alle Ehre gemacht hätten - und machen einfach. Schützenhilfe an den Reglern kommt (wie gewohnt) von Voddi und Tilia, und (diesmal neu) von Barsky, der als Drummer, Gitarrist und Bassist deutliche Spuren im Soundbild hinterlässt.
Was Grönemeyer einst für Bochum tat, hat auch Essen verdient? Mike und Shneezin pfeifen darauf, dass das Ergebnis cheesy as fuck werden könnte, und schreiben ihrer Heimatstadt ein Liebeslied, das nicht nur den rauchenden Kumpels vorm Getränkemarkt die Augen überlaufen lässt: Schön ist auch das nicht, aber so voller Charme und Herz, dass einem letzteres auch dann aufgeht, wenn man nicht im Pott "Zuhause" ist.
Ehrlich, ich kann das alles nicht hassen, kein Stück. Es ist viel zu echt und ungekünstelt, herrlich anarchisch und steckt - abgesehen davon, dass selbst der Quatsch wirklich kreativ geschrieben und auch diesmal wieder astrein vorgetragen wird - voller musikalischer Querverweise. Hier winkt Céline Dion vom Bug der sinkenden Titanic, dort grüßt Max Romeo um die Ecke (der sich zwischen den wiederholt auftretenden Reggae-Grooves gar nicht sooo fremd fühlen würde): Man müsste schon arg verkniffen unterwegs sein, um das nicht wenigstens ein bisschen würdigen zu können.
Die Ohrwurmqualitäten von "Hömma!" schließlich kann ohnehin niemand bestreiten, der sich nicht lächerlich machen will. Lieb' oder hasse sie, egal: Jeder einzelne dieser Tracks schraubt sich schon beim allerersten Hören in die Rübe und nistet sich dort ein, als habe er nie anderswo gewohnt. Das ist ja wohl auch eine Leistung, also vielleicht endlich einfach "aufhören nachzudenken". Shneezin hat ja Recht, wenn er sagt: "'Ich glaub', das könnte scheppern' ist auch 'n Argument."
5 Kommentare mit 7 Antworten
Vanda ist bei Akk TV, Dani hat geklärt.
Zwei Monate später, Dani schreibt eine 257ers-Album-Rezension, 4 Sterne. Zufall?
gott, ey. deine verschwörungsgedanken wieder. dass ich die 257ers seit mindestens HRNSHN feiere, ist gut dokumentiert. und dass die einen dampfenden scheiß auf die meinung von kritikern geben, doch eigentlich auch. würde an deiner stelle meine wichtigkeit mal nicht so maßlos überbewerten.
Ja, stimmt schon, die alten reviews, die du gemacht hast, sind ja auch vier Sterne teilweise. Ich nehme alles zurück.
Es sei denn... das war alles von langer Hand geplant!
so organisiert wäre ich gern.
Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.
Ungehört 1/5 und cringe
+1
Raptechnisch kannste denen nix vorwerfen. Inhaltlich schon, auch wenn das beabsichtigt ist, aber ohne Scheiße zu erzählen kannste wahrscheinlich bei dem Output nicht das Reimniveau halten. Ich wäre dann nur eher für weniger Output Im Gegensatz zu Dani find ich die Hooks eher unangenehm cheesy bis peinlich.
Ein bisschen wie "Deine Freunde" für ewig 16 Jährige.
das trifft es erstaunlich gut.
Also leider liefert die Review keinen Grund, warum es für 4/5 reicht. Wenn ich eine solche Wertung in einem bestimmten Bereich, wie Spaßfaktor mit Alkohol, vergeben will, dann unterteile ich die Reviewkriterien in bestimmte eigene Kategorien auf und belasse es nicht nur bei einer einzigen Skala von 1-5. Dass die Bewertungen sowieso sehr ungenau sind durch diese Skala muss ohnehin klar sein.