laut.de-Kritik
Melancholische Rocker für Mondsüchtige.
Review von Yan VogelMit 2nd Moon erscheint ein neuer Mond am Rock-Horizont. Es gibt nur einen Rudi Völler, könnte man entgegnen, genau so wie nur ein Erdtrabant existiert. 2nd Moon sind – so die Hoffnung findiger Plattenfirmenvertreter - mehr als ein Fiebertraum des Originals, das im vorliegenden Falle U2 verkörpern. Diese Unterstellung rührt nicht zuletzt von den lukrativen Nebeneinkünften her, die 2nd Moon aus der Betätigung als U2-Coverband "Achtung Baby" beziehen.
Entsprechend wissen die Jungs was Leute vor die Bühne zieht: Eingängige Lieder über Krieg und Liebe, zum Tusch der Mitmusikanten ein laszives über-die-Bühne-tänzeln und die Zelebrierung großer Gesten. Die Musik ist schnell umschrieben: Poprock nach Reinheitsgebot findiger PR-Gurus. Das heißt: Eingängige Drumbeats, die ihre musikalische Daseinberechtigung aus fintenreichen Hi-Hat-Figuren ziehen und ein Bass, der seinen Arsch punktgenau auf der Bassdrum parkt. Mit ein paar Soundscapes und synthetisierten Melodieneinsprengseln scheint man en vogue und rockige, Riff-orientierte Gitarren sorgen für Bodenständigkeit. Allerdings schienen die The Edge-Licks ein wenig auf der hohen Kante gelegen zu haben. Stimmlich mischt sich der Pathos von Bono mit der Klangfarbe von Kai Wingenfelder.
Klar und sauber im Mix gegliedert, trägt die Band in nahezu sämtlichen Bereichen der Ohrenfreundlichkeit Rechnung. Mit einigen Klecksern Weltmusik und Folklore im Stile von Fury In The Slaughterhouse zu Brilliant Thieves-Zeiten erhält der Sound zumindest ein paar herausstechende Nuancen. Auch die Harmonisierung folgt nicht immer dem gängigen Kadenzschema. Es gab Zeiten, in denen die Band im Fahrwasser von Reamonn satte Erfolge hätte einfahren können.
Um die U2-Vergleiche nicht auf die Spitze zu treiben lehnt sich die Gruppe zunächst mit "Underground" an Depeche Mode, The Cure oder neuere Zunftgenossen wie White Lies an. Wobei die Düsternis in Moll wohl portioniert ist.
Bevor drohende Schlechtwetterfronten das Gemüt des Hörers trüben, reißen Sonnenstrahlen in Dur die Wolkenformationen wieder auf. Eine Umschreibung mit dem Verveschen Mantra von der bitter-süßen-Sinfonie bietet sich nahezu an. "Feedback" unterstreicht diesen Anspruch von hormonell abgestimmten Harmonien auch textlich: Verliebtheit als "Sweetest Violence". "Reveal" kündet von Zweisamkeit, aber nach Gentleman-Art. Wo es bei der Bloodhound Gang heißt: "We Do It Like They Do On The Discovery Channel", singt Sänger Schülert: "We Do What We Do When The Hours Are Getting Blue". Der melancholische Rocker "Tiny Little Pills" thematisiert die heutzutage gängige Praxis Ansätze von Verhaltensauffälligkeit umgehend mit Psychopharmaka zu bekämpfen.
Dass 2nd Moon nicht zum Trugbild und Trabanten bekannter Pop-Größen verkommen, liegt an der Fähigkeit bekannte Versatzstücke geschickt zu kompilieren. Ein erfrischendes Hörerlebnis klingt jedoch anders.
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