laut.de-Kritik
Kein Platz für Licht, aber jede Menge Punch.
Review von Manuel BergerMich als alten "Harry Potter"-Nerd kriegen 36 Crazyfists allein schon mit dem Opener "Death Eater". Kompromissloser Einstiegsgrowl, fettes Groove-Riff, die Bande legt ordentlich vor – und enttäuscht auch über Albumlänge nicht.
Die Mischung aus Five Finger Death Punch, aggressiven Papa Roach und etwas Metalcore würde man gemeinhin wohl in diese diffuse Schublade namens Post Hardcore ablegen. Auch wenn die Musiker meist harte Riffs sprechen lassen, sind ihnen Melodien dennoch hörbar wichtig. Immer wieder schaltet Sänger Brock Lindow zwischen verschiedenen Gesangstechniken hin und her, die Instrumentalfraktion geht treffsicher mit.
"Where Revenge Ends" bestreiten die Amerikaner etwa nur mit Akustikakkorden und melancholischer Leadgitarre, Lindow verharrt in rauem, gewöhnungsbedürftigem, aber eben auch sehr individuellem Klargesang. Im folgenden "Sleepsick" gehts dafür umso heftiger zur Sache.
Einen Höhepunkt stellt "Sea And Smoke" dar, ein abwechslungsreiches Stück, das gewissermaßen als Vertonung der Hintergrundgeschichte zum Album durchgehen kann: Lindow gibt an, während des Entstehungsprozesses in einer schwer depressiven Phase gewesen zu sein - ob des Endes seiner 13 Jahre währenden Ehe. Für Licht ist in dieser Komposition kein Platz. "Sleep through static and I struggle to let go", singt Lindow über ein ersticktes Schrammel-Pattern, das die schizophren errichtete Wand von einem Song immer wieder durchbricht. Im Refrain verfällt er in verzweifelte Hooks, die in Kombination mit den Riffs einerseits ungewöhnlich, andererseits sehr eingängig klingen.
Die Produktion fällt passend zum rohen, emotionalen Ausdruck der Songs sehr punchy aus. Auffällig zur Geltung kommt sie in "Bandage For Promise". In einem Melodie-Interlude verzichten 36 Crazyfists bewusst auf Rhythmusgitarrenoverdub, was dem Stück ein sehr lebendiges und echtes Feel verleiht. So etwas kann schnell in die Hose gehen, funktioniert bei "Lanterns" aber prächtig und geht nicht auf Kosten der Durchschlagskraft – auch bei Gitarrensoli nicht ("Laying Hands").
Viel auszusetzen gibt es demnach nicht an der Dreiviertelstunde neuen Crazyfists-Materials. Einigen Songs wie "Wars To Walk Away From" fehlt zwar der Saft, um über Durchschnittslevel zu rutschen, und man wünscht sich ein paar mehr Tracks wie "Sea And Smoke", die statt routiniertem Groove-Stiefel auch ein paar ungewöhnliche Untertöne vorweisen. Trotzdem könnte sich gerade aus Live-Sicht der Kern von "Lanterns" als einer der stärksten Momente der Diskographie erweisen.
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