laut.de-Kritik
Ein Ankerjunge feiert 40-jähriges Bühnenjubiläum.
Review von Stefan JohannesbergDer Deutsch Rock ist die Volksmusik des Nordens. Die Melancholie des Kiez spielt fernwehbelastet den "St. Pauli Blues", während die Leder-bejackten Seebären in der verrauchten Kneipe einsam am Tresen "Steaks, Bier und Zigaretten" ordern. Die bärbeißigen Typen flüchten sich in Karten- und Glücksspiele. "Spieler, Spieler, Spieler komm rüber" flüstern die Automaten und Skatrunden.
Wer nicht aufpasst, landet bei Wurstbrötchen essenden Großstadtrevierpolizisten wie Jan Fedder - wenn er Glück hat. Den Gesetzeshütern der Davidswache kann er dann seinen Seemannsgarn und Sagen vertellen, denn große Geschichtenerzähler sind sie alle, diese Deutsch Rocker.
Da kommen "fliegende Pferde übers Meer", in dem die "Meerweiber" und "Klabautermänner" hausen. "Regenballaden" ziehen durch den Raum wie Nebelschwaden. Das Leben ist hart an der Küste und auf dem Meer, wenn sich Steuermann "Nis Randers" "Höllentänze" auf meterhohen Wellen liefert.
Kein Wunder also, dass den Deutsch Rock eine musikalische Seelenverwandtschaft mit dem ebenfalls rauhbeinigen, meergeprägten Irish- und Scotish Folk verbindet. Neben den üblichen Leichtmatrosen Gitarre und Piano schunkeln vor allem Geige, Akkordeon und Mundharmonika und zeigen in Shantys und Traditionals natürliche, naturverbundene Spielfreude.
Ein weiterer Schwerpunkt im nordischen Volksrock liegt auf der Vertonung von Gedichtgut. Goethes "Erlkönig", Heines "Die Ballade Von der Loreley" und Ringlnatz' "Lied von der Hochseekuh" entfalten mit der deutsch-folkrockigen Hafenvariante eine ganz neue Bedeutung.
Das zweite, große Thema für Deutsch Rocker ist natürlich die Liebe. "Liebe kommt von unten" sang schon Genre-Gott Rio Reiser. Oder von oben. "Auf der Rolltreppe". Meistens scheitert die "für immer" gedachte Zweisamkeit "immer und immer wieder". Trotzdem gehen die tätowierten Kerle oft und gerne "heute Nacht vor Anker" beim anderen Geschlecht.
Achim Reichel, einer dieser Ankerjungs, feierte am 24. und 25. August 2003 in der Hamburger Fischauktionshalle stilecht sein 40-jähriges Bühnenjubiläum. Unterstützt von seetauglichen Gästen wie Jan Fedder, Lotto King Karl, Klaus Lage oder Heinz-Rudolf Kunze war der 60-jährige Liedermacher "Hart am Ball" des Deutsch Rocks, der Volksmusik des Nordens.
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