laut.de-Kritik
Ein Trip für Strickschal-Techno-Hippies.
Review von Kilian SteinhartAcid Pauli experimentiert weiter. Martin Gretschmanns zweites Soloalbum unter seinem DJ-Aka klingt unglaublich organisch. Der Sound wabert und lebt. Dabei basiert die Scheibe ausschließlich auf Break-Spuren.
Der Exil-Bayer verzichtet 2017 auf die pumpende Kickdrum. So entsteht Musik, die Spannungsbögen aufbaut, die ihrerseits immer wieder die Hoffnung wecken, der Bass könne vielleicht doch in der jeweils nächsten Sekunde einsetzen. Doch Fehlanzeige. Die Mucke treibt trotzdem und Pauli lädt in seinen verspulten Kosmos.
"Abbebe" saugt den Hörer hinein in den kruden und wilden Garten des Elektro-Magiers. Schon hier purzeln die Drums staubtrocken über den sphärischen Teppich und Gretschmann spielt gekonnt seine Erfahrung aus. War der Herr doch schon bei The Notwist für die elektronischen Tüftel-Details verantwortlich.
Auf "Baris" ziehen dunkle Sommergewitter-Wolken auf und Berliner Hedonisten fiebern zugedröhnt dem Sonnenaufgang entgegen. Bei "Ayam" wobbelt es hingegen ordentlich und die Bestandteile hüpfen fragmentiert durch die Gegend. Es flirren Synthesizer-Signale und daneben zittert nervös eine Hi-Hat. Vor dem inneren Auge beginnen Sträucher wild zu wuchern.
Und der Druide frickelt weiter: "Joan" und "René" lassen Ambient-Klänge bunt über dem feuchten Wald-Boden oszillieren. Freunde bitterer Schimmel-Kulturen lieben derartige Spielereien. Vom Farbenreichtum fasziniert, sitzen sie stundenlang in grünen Parks und kichern überrascht über die Vielfalt von Mutter Natur.
Den farbenfrohen Acid-Reigen schließt "Jorge" und spätestens hier tanzen Jünger der ersten Stunde neben Strickschal-Techno-Hippies. Acid Pauli beweist mal wieder, dass es im Bereich der elektronischen Musik seltsam fantastisch zugehen kann. "BLD" liefert monotonen Techno-Sound mit der Vielfalt eines würzigen Kräutergartens.
1 Kommentar mit einer Antwort
Ein Freund von mir hat ihn mal spontan morgens um 4 Uhr von einem Gig zum nächsten chauffiert. Sympathischer und sehr auf dem Teppich gebliebener Sound-Eigenbrödler.
Witzig finde ich, dass sich in der Masse genau diejenigen Druffis und U30-Hipster von seinem Pauli-Aftershow-Sound angezogen fühlen, die ihm selbst im Gespräch zumeist am ehesten auf den Keks gehen. Und selber hat der's mW auch noch nie so wirklich mit Rauschmittelgebrauch gehabt
Notwist seit seinem Abgang nur noch so lala, sollte klar sein.