laut.de-Kritik

Unglückliche Liebe, Verzweiflung, Hoffnung und Kraft, kurzum das Leben.

Review von

Über Musik zu schreiben ist wie zu Architektur zu tanzen. So heißt jedenfalls ein altkluges Sprichwort. Als Musikredakteur versucht man dieser These jeden Tag zu trotzen. Manchmal gelingt es einem, doch allzu oft stößt der Schreiber an seine Grenzen. So geschehen bei Aimee Mann. Wie fasst man die göttliche und doch menschliche Kunst einer so begnadeten Musikerin in Worte, ohne in Banalitäten abzuschweifen? Ein Versuch.

Mit Werk "Bachelor No.2" versucht die amerikanische Songwriterin zum ersten Mal auch in Europa Fuß zu fassen. Bisher gab es ihre Platten, mit Ausnahme des Magnolia-Soundtracks, nur als Importe. Nach dem Eintauchen in ihre Musik kann man getrost von "leider" sprechen. Wie schon beim Soundtrack ("Deathly", "You do" - auch auf Bachelor No.2) offenbart uns Aimee eine Welt voller unglücklicher Liebe, Verzweiflung, Hoffnung und Kraft, kurzum das Leben. Sie schreibt Pop-Perlen, gestrickt aus wehmütigen Melodien, die doch nie in Oberflächlichkeit und Kitsch ausarten, sondern immer mitten in ihr und uns wirken. Es gibt bei Aimee kein schwarz oder weiß, gut oder böse. Alles ist grau und zweideutig. Aimee ist ein Mensch und kein seelenloses Produkt. Sie "saved me" vor all den Britney-Retorten da draußen, und ihrem Understatement "How am I different" kann man nur antworten: Du bist menschlich, und du drückst es mit deiner Musik auch aus. Wenn Neil Young eine Frau wäre, würde er wie Aimee Mann klingen.

Ich möchte zum Schluss noch Christoph Dallach vom Spiegel zitieren, der die einzigartige Klasse von Aimee Mann gebührend würdigte. "Ihre Songs sind kunstvoll arrangierte Balladen. Ihre Texte erzählen mit wundersamer Poesie von Resignation und Enttäuschung. Dass Aimee Manns Musik dabei aber nie zu tristem Gejammer verkommt, sondern Charme und die Hoffnung auf märchenhafte Rettung bewahrt, darin steckt vielleicht die wahre Größe ihrer Kunst." Zu Architektur kann man vielleicht nicht tanzen, doch man kann sich darin verlieren.

Trackliste

  1. 1. How Am I Different
  2. 2. Nothing is Good Enough
  3. 3. Red Vines
  4. 4. The Fall of the World’s Own Optimist
  5. 5. Satellite
  6. 6. Deathly
  7. 7. Ghost World
  8. 8. Calling It Quits
  9. 9. Susan
  10. 10. Backfire
  11. 11. It Takes All Kinds
  12. 12. Save Me
  13. 13. Just Like Anyone
  14. 14. You Do

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