laut.de-Biographie
Alborosie
Es bedarf einigen Mutes, sein Leben aufzugeben, alles hinter sich zu lassen und zu neuen Ufern aufzubrechen. Genau das tut Alborosie: Er pfeift auf den Erfolg, den er in seiner Heimat Italien bereis eingefahren hat, und begibt sich auf die Suche nach dem echten Vibe.
Dabei zählt Alborosie in der italienischen Reggae-Szene zu den Superstars. Die von ihm 1994 mitgegründete Band Reggae National Tickets kann sich vor Angeboten von Majorlabels kaum retten, veröffentlicht beinahe im Jahresrhythmus und spielt zahllose Liveshows.
Sänger Alborosie - anfangs nennt er sich noch Stena - genügt das nicht. "Ich war müde", erinnert er sich im Interview. "Die Welt ist groß, mein Land ist klein. Ich entschied, nach Jamaika zu gehen." Diesen Entschluss zieht er 2001 durch, mit allen Konsequenzen.
Im Jahr zuvor trennte er sich bereits von den Reggae National Tickets. Er verkauft sein Label, seinen Laden, die Agentur und seinen gesamten Besitz. Viel bringt das alles nicht ein: Mit knapp 1000 Dollar in der Tasche bricht er in die Karibik auf.
"Ich sehe mich nicht als Alborosie, den italienischen Künstler. Ich sehe mich als Alborosie, den Künstler. Musik ist eine universelle Sprache."
Die Anfänge gestalten sich zäh. Außer Erfahrungen ist in den Straßen Kingstons wenig zu holen. Erst als Alborosie die Bekanntschaft Jon Bakers von Gee Street Records schließt, geht es aufwärts. Er verschafft ihm einen Job als Toningenieur in seinen Geejam Studios.
Alborosie kommt in diesem Umfeld mit internationalen Künstlern zusammen. Er arbeitet unter anderem mit Mario, Angie Stone, Manu Chao - und mit UB 40, mit denen er beste Kindheitserinnerungen verbindet:
"Meine Mutter hat deren Musik immer gehört", erinnert er sich an seine Elternhaus auf Sizilien, wo er 1977 als Sohn eines Polizisten unter dem Namen Alberto D'Ascola zur Welt kam. "Für mich ist dieser Sound gleichbedeutend mit Sommer und Sonne."
Darüber hinaus zählt er Toots Hibbert, Black Uhuru, Burning Spear und Bob Marley zu seinen Vorbildern. "Ich gehöre zur Newschool, aber die Oldschool ist meine Inspiration."
Alborosie nimmt eine eigene Karriere als Reggae-Künstler in Angriff. 2008 veröffentlicht er erste Singles ("The Herbalist", "Kingston Town") und bricht zu einer Europa-Tournee auf. Bei seiner Rückkehr stehen die Kollaborationspartner bereits Schlange.
Alborosie arbeitet mit Sean Paul, Morgan Heritage, Luciano, Michael Rose, Ky-Mani Marley, Jah Cure, Gentleman, Etana und zahllosen anderen. Sizzla und Beenie Man singen über von ihm produzierte Riddims.
Soundsystems reißen sich um seine Specials: Alborosie voict buchstäblich Tausende von Dubplates. Einige Kollaborationen finden 2014 ihren Weg auf die Doppel-CD "Alborosie & Friends". Als er 2008 sein erstes Soloalbum "Soul Pirate" veröffentlicht, blickt er allerdings auch schon auf an die 20 7"-Veröffentlichungen zurück.
"Ich mach' alles selbst. Ich bin Musiker, Toningenieur, Sänger, Produzent", erklärt Alborosie seine Arbeitsweise in einem Interview mit dem schweizerischen Radio 3fach. "'Soul Pirate' ist so etwas wie mein Tagebuch: fünf Jahre in Jamaika, 15 Songs von Reggae bis Hip Hop."
Alborosie besinnt sich auch auf seinen folgenden Veröffentlichungen auf die Wurzeln, auf Ska, Rocksteady und Rub-A-Dub. Die jamaikanische Soundsystem-Kultur liegt ihm am Herzen, davon kündet unter anderem der Titel seines 2013 veröffentlichten Albums "Sound The System".
Mit der insbesondere im Dancehall zunehmenden Gewaltverherrlichung will er dagegen nichts zu tun haben: "Ich predige keinen Hass, gegen niemanden. Ich bin ein Rasta, ich bin ein spiritueller Mensch. Für mich dreht sich alles um eine Sache: One love and unity."
Im Sommer 2017 erfragt das Ruhr Reggae Summer-Festival per Facebook, auf welchen der vielen Acts auf dem Line-Up sich die Follower am meisten freuen. Alborosie siegt haushoch, sogar gegen Hype-Acts des Moments wie Chronixx und Bonez MC & RAF Camora. Mit Chronixx verbindet ihn kurze Zeit später "Contradiction", eine der Rasta-Hymnen des Jahres 2018. Von seinem Erfolgsalbum "Soul Pirate" erscheint die interessante Akustik-Version "Soul Pirate Acoustic".
Mit voller Instrumente-, Effekte- und Verstärker-Montur covert Pupa Albo auf "Unbreakable" Metallica und duettiert sich mit Altmeister Beres Hammond im knackigen "Too Rock". Die Platte platzt fast vor Bass. Es spielen die Barrett-Brüder von den Wailers, Tyrone Downie klimpert an den Keyboards. Kleine Sensation: Der Sizilianer hat sich mit den Wailers "united", was er stolz im CD-Titel anpreist. Fraser am Saxophon geht da schon fast unter.
"Listen To The Waves" und "Unprecedented Time" heißen des Dub-Meisters Kommentare zu Polizeigewalt und Covid-19. "Ich studiere Malcolm X und höre auf Shango, ich bin ein Reggae-John Lennon" singt Alborosie im Sommer 2020. Shango ist eine Art Gott des Blitzes und des Donners in der Yoruba-Kultur und Religion.
Der interkulturell integrierte Wahljamaikaner Albo zeigt sich während des Lockdowns äußerst umtriebig: Produziert ein Wailing Souls-Album, das dann sehr stark nach ihm klingt. Schiebt dazu das tolle Dub-Album "Back-A-Yard-Dub" hinterher. Mit den genialen Instrumentals erreicht er vielleicht gerade solche – europäischen - Hörer*innen, die weniger auf die Roots-Messages stehen, eventuell auch nicht auf Alborosies eigentümlichen Gesang, sondern mehr auf wabbelnde, mitunter experimentelle Hör-Kunststücke.
Doch auch ein reguläres Studioalbum steht wieder an: "For The Culture" vereint im Juni 2021 Marley-Enkel Jo Mersa, US-Pop-Reggae-Entertainer Collie Buddz und erneut die oldschooligen Vokal-Heroen Wailing Souls. "For The Culture" ist auf dem gesamten internationalen Reggae-Markt nach einem Dreivierteljahr der großen Stille und Starre wieder einer der 'großen' Releases.
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