laut.de-Kritik
Metallica im Reggae-Gewand.
Review von Philipp KauseGroßes Kino: Schon der Opener "The Unforgiven" profitiert von den hohen Maßstäben, die die früheren Wailers-Mitglieder Junior Marvin, Tyrone Downie und Aston Barrett setzen. Aston bringt auch seinen Sohn A.B. Jr. mit, um die Backing-Band fürs Studio zu komplettieren.
Die "Wailers United" reichen aber nicht – auch der Sänger von Raging Fyah und weitere Gäste dürfen ran. Die rauen Vocals des Italieners passen hervorragend zum Gesang von Kumar Bent. "The Unforgiven" erinnert im zentralen Chorus-Riff ("What I felt, what I've known / never shined through in what I've shown") an Bluesrapper Everlast in "What It's Like" und ist doch eine Cover-Version von Metallica.
Alborosie hat schon auf Vorgängerwerken ("Freedom & Fyah", "Sound The System", "Soul Pirate") nie an Gästen gespart. Und 2018? Beres Hammond! Chronixx! Jah Cure und J Boog machen auch noch mit. Drei Highlights: Das knarzende Bassspiel von Aston Barrett auf "Lie" nebst den hart, aber elastisch gespielten Drums seines Sohnes. Die Keyboard-Loops, im Früh-90er-Lovers-Rock-Style, gespielt von Tyrone Downie auf "Live Conscious". Und das Zwischenspiel "Wailing Dub" im Stil der frühen 1970er.
Vor allem auch der Beitrag des "Harmony House"-Hammond knüpft an alte Zeiten an. Von "Uncle Beres" (wie Alborosie ihn hier nennt) könnte der Gastgeber durchaus noch lernen – besonders was eingängige Melodien angeht, aber auch in Sachen Ausdruck, Intonation und Stimmresonanz. Chronixx kann dem 15 Jahre älteren Alborosie viel weniger die Schau stehlen. Auf der Single "Contradiction" zeigt zwar auch er die sympathischere und ausgereiftere Gesangstechnik. Andererseits: Wie jung und frisch die Stimme von Chronixx klingt, fällt hier (positiv) auf, während Alborosie eher väterlich wirkt, als Elder Statesman durch den Song führt und auf seine gemütliche Art präsent ist.
Die Texte sind alle wenig aufregend und fassen Lebenserfahrungen zusammen, bleiben jedoch abstrakt und weit weg vom nicht-muttersprachlichen Hörer. Schwäche des Albums: Viele gleichklingende Tracks. Denn tolles Handwerk allein ist nicht alles. Gleichzeitig umweht die Tracks auch eine Zeitlosigkeit. Denn wie würde Roots Reggae à la Bob Marley & The Wailers heute klingen? Anscheinend nicht so anders als vor 40 Jahren. Ist wahrer Reggae eben doch "made in Jamaica"? Jedenfalls suchte der Herr aus Sizilien emsig nach Hilfestellungen von der Karibikinsel. Die vollendete Coolness wäre wohl eine Dub-Ausgabe des Albums, wie das Outro vermuten lässt.
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