laut.de-Kritik
Selten klang Vergangenheit so aktuell wie hier.
Review von Alexander Cordas"Schau mir in die Augen, Kleines!" schreit das Cover uns entgegen, und wer könnte bei solch netten Glotzerchen schon nein sagen? Nun denn, lassen wir uns von Herrn Cooper hypnotisieren und stürzen uns ins Abenteuer der neuen Scheibe. Nachdem Alice aka Vincent Furnier mit der Trilogie um "The Last Temptation", "Brutal Blanet" und Dragon Town" ein recht fettes Gitarrenbrett kredenzte, das teilweise Nu Metal-artige Auswüchse hatte, legt er jetzt musikhistorisch den Rückwärtsgang ein und parkt geschickt zwischen 60s-Rock'n'Roll und Achtziger-Hardrock ein. Und das auch noch, ohne Schrammen abzubekommen.
Die Zusammenarbeit mit Bob Marlette ist beendet. Statt dessen rückt das Songwriting mit den Jungs seiner Band in den Mittelpunkt, und das ist nicht von schlechten Eltern. In hinreißender Art persifliert er in gekonnter Manier gesellschaftliche Arschlöcher, die er mit Textzeilen wie in "Man Of The Year" entlarvt: "The Queen made me a knight, the pope made me a saint, the president plays golf with me, I make Madonna faint". Klar, dass dieser Depp sich zum guten Ende die Knarre in den Mund schiebt, abdrückt und zum wahren Mann des Jahres avanciert. Sehr entspannt singsangt Cooper über die mit teilweise lange nicht mehr gehörten Instrumenten ausstaffierten Songs. Saxophon, Harmonika erinnern schön an seine Rock'n'Roll-Anfangstage, ohne anbiedernd retro zu klingen.
Zwei alte Haudegen vereinen sich beim dreckig rockenden "Detroit City". Wayne Kramer, MC5-Kämpe greift in die Seiten, um im Verbund die alten Zeiten hochzujubeln. Textlich bekommen heutige Superstars ihr Fett weg, denn da trug Shady noch "his bib" (Sabberlätzchen). Souverän verarbeitet Cooper seine Wurzeln und schlägt gleichzeitig die Brücke in die Gegenwart. In jener Zeit in den Sechzigern wurde er musikalisch geboren, und wahrscheinlich werde er dereinst auch dort sterben. Was für ein Zitat! Wurscht kann es demjenigen sein, der eine schöne Portion arschtretenden Rock verträgt, denn den bekommt er mit "The Eyes Of Alice Cooper" bis zum Abwinken geboten. Sentimentalitäten ("The Song That Didn't Rhyme") gehören da genauso zum Geschäft wie neue Geschichten aus der Gruft ("This House Is Haunted"), wo sogar eine Klarinette die Spuk-Atmosphäre unterstützt.
Bratzte er mit den letzten Alben seine Interpretation der Moderne in die Welt hinaus, so schlägt er dieses Mal zwei Fliegen mit einer Klappe. Selten klang Vergangenheit so aktuell wie hier. So starren wir zurück in seine roten Augen (je nach Cover-Artwork auch blau, grün oder gelb) und bitten ihn "Alice gib uns mehr davon"!
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