laut.de-Kritik
Neuer Sänger, neuer Stil, neuer Sound.
Review von Jürgen LugerthBis dato konnte man Alpha Tiger stilistisch recht eindeutig zuordnen. Melodischer Power Metal mit starken Einflüssen aus der Zeit der Achtziger Jahre, als der US-Metal und die legendäre 'New Wave Of British Metal' unter den Freunden der harten Mucke für Glücksgefühle sorgten. Das letzte Album der sächsischen Streifenkatzen von 2015 namens "iDentity", das in der Szene recht gut ankam, wies allerdings schon erste Abweichungen im Soundbild auf. Offensichtlich wollten die Freiberger eine größere Zahl an Rockfans erreichen als zuvor.
Das klappte in der Folge vor allem live nicht, weil der damalige Sänger Stephan Dietrich sich und seine markante Stimme direkt nach Fertigstellung der Platte und offensichtlich sehr spontan von der Band subtrahierte. Ein böser Streich, war er doch ein wichtiges Aushängeschild. Die Suche nach einem adäquaten Ersatz gestaltete sich mühsam, aber nun darf der neue Vokalist Benjamin Jaino ran.
Es fällt schon beim Betrachten des mystischen, in verschiedenen Grautönen gehaltenen Covers auf, dass sich bei der Band einiges mehr geändert hat als nur der Posten am Mikrofon. Auch die Titelwahl macht neugierig. Man denke nur an das schwarze, ebenfalls selbstbetitelte Album von Metallica, das die vier ehemaligen Thrash-Helden in eine andere, nicht von allen Fans geliebte musikalische Ausrichtung führte. Tatsächlich steuern auch Alpha Tiger, natürlich längst nicht so dramatisch, einen anderen Kurs an. Erdiger, organischer, analoger und abwechslungreicher wollte man klingen, so Peter Langforth, Gitarrist und Hauptkomponist der Band.
Nun denn, dieses Vorhaben scheint vorderhand gelungen. Die Lehre des reinen Heavy Metal ist für Alpha Tiger passé. Zwar liefert das zweite Stück "Comatose" nach einem instrumentalen Intro im John Carpenter-Soundtrack-Stil ordentlich Riff-Power, wird aber von einer dicken Hammond-Orgel unterlegt, die einen unverkennbaren 70s-Touch beisteuert. Der neue Frontmann intoniert vernünftig, ein Sangesmonster ist er aber nicht, wie man im weiteren Verlauf der Platte feststellt. Trotzdem ein guter Einstieg.
Ob es so klug ist, gleich an dritter Stelle einen nicht allzu interessanten, melodramatischen Slow-Track namens "Feather In The Wind" einzustreuen, darf bezweifelt werden. Die Keyboards dominieren hier noch mehr. "Singularity" danach kommt schneller und griffiger rüber, aber das anschließende "Aurora" erweist sich sofort wieder als ein melancholischer, hardrockiger Showstopper der Marke Uriah Heep in gemäßigtem Tempo.
Spätestens ab da muss man Alpha Tiger attestieren, dass sie mehr Heavy Rock als wenig Heavy Metal spielen. Obwohl das spielerische Niveau ordentlich ist und die eingestreuten Gimmicks sitzen, geraten die Kompositionen im Allgemeinen nicht überragend. Ein von nostalgischen Orgel-Breitseiten flankiertes Midtempo-Stück wie "My Dear Old Friend" habe ich schon in meinen Jugendjahren von den durchaus ambitionierten Schüler-Kapellen meiner Heimatstadt gehört, die in kirchlichen Proberäumen übten und ihre Auftritte in der Aula meines Gymnasiums etwa bei Abiturfeiern absolvierten. Das ist keineswegs böse gemeint. Manche Bands waren damals richtig gut. Wo sind sie geblieben ...?
Alpha Tiger bleiben ihrem neuen Stil bis zum Schluss treu. Alles klingt sehr warm, irgendwie nostalgisch und melancholisch. Letztlich eine recht schöne Platte, aber eben kein Metal mehr. Man wird sehen, ob dieser Richtungswechsel bei alten Fans der Band ankommt.
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