laut.de-Kritik
Viel runder und ausgereifter kann sich ein Debüt nicht anfühlen.
Review von Laura WeinertEine Welle ist etwas schönes und faszinierendes. Sie rollt heran, türmt sich auf, wird groß und größer, scheint gefährlich, bis sie auf ihrem Höhepunkt schäumend in sich zusammenbricht, mit letzter Energie sanft über den Sand gleitet und sich dorthin zurückzieht, wo sie herkommt: dem großen Unbekannten, dem Inneren. Was für eine schöne und passende Metapher, die sich Alt-J da für ihr Debüt ausgedacht haben.
Dabei schreiben sie nicht nur ausgefallene und besondere Stücke mit Nuancen von Pop, Folk, Elektro, sondern bestücken sie mit einer Vielzahl feiner Sandkörnchen von verschiedensten Klängen, Samples und Genres. "Folk-Step", liest man in der Bio, das beschreibt wohl ganz gut die Vorliebe der Band für schwere, stolpernde Beats. So brechen schon im "Intro" murmelnde Massen in eine zuvor von Piano und verschwommenen Gitarren friedlich gemalte Landschaft.
Das Album lebt von Kontrasten: Auf das schwermütige "Tessellate", das leise und düster, hypnotisch und fast gefährlich, den Durchbruch der Band markierte, folgt das lockere "Breezeblocks". Zwar kennzeichnen auch voluminöse und treibende Beats den Refrain, doch die fluffigen Gitarren im Intro und das muntere Glockenspiel in den Strophen stehen der Falsettstimme von Sänger Joe Newman bestens. Überhaupt gewinnt vieles durch Newmans Organ, das teilweise an Bombay Bicycle Clubs Jack Steadman erinnert, an Charakter. Vermutlich wäre "Breezeblocks" ohne es nur ein bloßer Popsong.
"Interlude 2 (Guitar)" drückt das Ohr praktisch an die Muschel, die die letzten Erinnerungen an den Strandurlaub hütet. Beruhigter Folk, instrumental, das unterdrückte Rauschen des Meeres – der Frieden nach den beiden aufregenden Tracks zuvor. Und die Ruhe hält an - "Something Good" schließt beflügelt mit einem alten Kampf ab, "Matilda" packt mit der vergleichsweisen einfachen Melodie und der melancholischen Atmosphäre, "Ms" erinnert mit seinen Choralen fast an Bon Iver, ohne jedoch in seinem Schwermut zu versinken. Hier und da entwickeln sich in den Songs einige Längen, die etwas hinter den restlichen Charakter-Songs des Albums zurückbleiben.
Dazwischen scheint aber das sonnige "Dissolve Me". Via Soundcloud erklärt die Band, damit die Gute-Nacht-Geschichten von Newmans Mutter einzubetten. Es sind Geschichten über schöne Tage am Strand, die man dem Track anhört. Mit surfigen Synthies und Foals-Frickeleien schaffen sie Wärme und Sommerlaune, mitten in dieser Phase der Melancholie.
Die ist jedoch schnell vorbei, sobald "Fitzpleasure" anfängt, scheppernd und brummend wieder an die Leidenschaft zu erinnern, die Alt-J in ihren Songs transportieren. Der Überschlag der Welle - tosend, gefährlich, faszinierend. Wer mag, versinkt darin, andere reiten auf dem Höhepunkt des Albums.
2 Kommentare
Mein Lieblingsalbum 2012. Alle Songs sind erste Sahne und das Album hat einen ganz eigenen, besonderen und genialen Flair.
Gerade erst dank eurer Jahrescharts entdeckt und schon in den Warenkorb gepackt. Was für ein famoses Album!