laut.de-Kritik
Alicia Keys, Joss Stone, Santana - wer solche Freunde hat ...
Review von Kai KoppMit Kollaborationen-Alben ist es so eine Sache. Das weiß auch Angelique Kidjo, und so klingt es schon fast nach Rechtfertigung, wenn sie erklärt: "Mir sind die Vorurteile hinsichtlich dieser ewigen Featuring-Songs absolut nicht fremd. Ich schmücke mich allerdings auf dem Album nicht mit zufälligen Bekanntschaften, die mich aufwerten sollen. Vielmehr steuern ausschließlich Freunde von mir ihre charakteristischen Stile bei". Wer solche Freunde hat, kann von Glück reden, denn "Djin Djin" wartet mit einer dicken Latte hochprominenter Stars auf.
"Mir war es wichtig, dass jeder dieser großartigen Musiker mit mir kommt, zu meinen musikalischen Wurzeln", definiert Kidjo die Zielsetzung: "Djin Djin" ist eine Hommage an ihr Heimatland Benin. Auf dem rhythmischen Fundament der reichhaltigen westafrikanischen Musiktradition toben sich so unterschiedliche Giganten wie Alicia Keys ("Djin Djin"), Peter Gabriel ("Salala"), Ziggy Marley ("Sedjedo"), Amadou & Mariam ("Senamou"), Carlos Santana ("Pearls"), Joss Stone ("Gimme Shelter") und Branford Marsalis ("Djin Djin") aus.
Exklusiv für die europäische Version legen sich für "Ae Ae" Joy Denalane und Carmen Consoli ins Zeug. Die Youssou N'Dour-Version desselben Songs "gibt es demnächst bei iTunes zum Download", ergänzt Kidjo.
Die Frontfrauen und -männer können sich dabei auf ein filigranes, abwechslungsreiches und stabiles Fundament von Schlagzeuger Poogie Bell (Erykah Badu, Chaka Khan), Keyboarder Amp Fiddler (Prince, George Clinton), Multiinstrumentalist Larry Campbell (Bob Dylan, Paul Simon) und Bassist Habib Faye (Youssou N'Dour) verlassen. Für den beninischen Puls sind die Perkussionisten Crespin Kpitiki und Benoit Avihoue zuständig, die Kidjo von der heimatlichen Gangbé Brass Band ausleiht.
Bei solch prominenter Besetzung lässt sich Angelique Kidjo natürlich auch produktionstechnisch nicht lumpen und holt den erfahrenen Tony Visconti ins Boot, dessen Händchen schon für David Bowie, T.Rex, Osibisa, Les Rita Mitsouko und Morrissey über die Regler huschten. "Als wir fertig waren, waren alle etwas traurig, denn während der zwei gemeinsamen Wochen hatten wir uns wie eine große Familie gefühlt", ruft sich Kidjo die Studiozeit gerne ins Gedächtnis zurück.
Inhaltlich zeigt sich Kidjo vielseitig und tiefgründig, und so erinnern ihre Lieder an das Wunder der Geburt ("Salala"), an die Einzigartigkeit jedes Individuums ("Arouna"), die verführerische Seite von Macht und Gewalt ("Mama Golo Papa"), das Potential von Musik, zu heilen und zu belehren ("Sedjedo"), die Vereinsamung in der modernen Gesellschaft ("Emma"), starke Frauen ("Pearls"), oder daran, jeden flüchtigen Moment des Lebens möglichst auszukosten ("Djin Djin").
Sprachlich zieht Angelique Kidjo dabei alle Register. Neben Englisch, Französisch und Portugiesisch spricht sie vier Stammessprachen ihrer afrikanischen Heimat Benin. Das reicht, um ein Album abwechslungsreich zu besingen.
Zwischen die das Repertoire bestimmenden Eigenkompositionen mischt sie aufregende Cover-Versionen. Den Rolling Stones-Klassiker "Gimme Shelter" verwandelt sie, gemeinsam mit Joss Stone und den Bläsern des New Yorker Afrobeat-Kollektivs Antibalas, in eine kraftvolle Warnung ("Man muss sich nur mal umschauen. In unseren Straßen brennt es. Terroristen, die behaupten, im Namen Gottes zu agieren, zerstören alles, wofür wir gearbeitet haben").
Auf dieser Grundlage mutiert "Gimme Shelter" im selben Atemzug zu einem rauschenden (Mani-)Fest. "Es war eine der intensivsten Sessions des Albums. Für mich besitzt er ein Maximum an emotionaler Intensität, was man dem Song hoffentlich auch anhört." Tut man! "Gimme Shelter" gehört zusammen mit "Djin Djin", "Ae Ae", "Senamou", "Papa", "Awan N'La" und "Mama Golo Papa" zu den absoluten Highlights des Albums.
Auf der Adaption von Ravels "Bolero" macht sie sich auf die Suche nach den gemeinsamen Wurzeln klassischer europäischer und nordafrikanischer Musik. 'Nicht suchen - finden!', lautet dabei ihre Devise, denn dem allseits bekannten Bolero trotzt sie ungeahnte Schattierungen ab, die den Gassenhauer in einem bisher unbeachteten Licht erscheinen lassen.
Sades "Pearls" erscheint mit Josh Groban, dem klassisch ausgebildeten Bariton, als smoothe Klassik goes World goes Schlager-Pop-Variante, die trotz Santanas gefühlvollem Gitarrenspiel leider etwas zu schmalzig auf den Teppich trieft. Das als Ausrutscher zu bezeichnen ist jedoch übertrieben, denn im Gesamtzusammenhang betrachtet, ist "Pearls" lediglich eine der schwächeren Nummern.
Ihren Charme bezieht "Djin Djin" aus dem exzellenten Gesamteindruck. Ein Worldmusic-Album das von vorne bis hinten Spaß macht, flattert einem ja nicht alle Tage auf den Tisch. Darüber hinaus scheint "Djin Djin" mit einer dicken Schicht Pattex ausgeliefert zu werden, denn der Silberling weigert sich standhaft, den CD-Player zu verlassen.
11 Kommentare
Dankeschön Herr Kopp, vielen Dank für diese Review. Und dafür, daß auch einmal Musik für eine ziemlich kleine Randgruppe dieses Forums präsentiert wird.
Ich bezweifle übrigens keines Ihrer Worte und auch keinen einzigen der 5 vergebenen Balken.
Da mich die Musik von Angelique Kidjo seit vielen Jahren begeistert und begleitet, hatte ich nach nun mehr als 3 Jahren des Wartens nichts anderes als ein Meisterwerk der Schönheit aus Benin erwartet. Das Album ist (noch gedanklich) schon in meinem Player.
Schon wieder Jan Dilba
Da scheinen zwei auf derselben Wellenlänge zu schweben
darf ich ihnen/dir noch etwas ans herz legen:
http://www.laut.de/lautstark/cd-reviews/n/…
(Anspieltipp: 1, 10, 7, 14)
Kai
@Obi Wan KaiNobi (« Schon wieder Jan Dilba
Da scheinen zwei auf derselben Wellenlänge zu schweben
darf ich ihnen/dir noch etwas ans herz legen:
http://www.laut.de/lautstark/cd-reviews/n/…
(Anspieltipp: 1, 10, 7, 14)
Kai »):
Es scheint, daß wir beiden wirklich ein paar Wellen gemeinsam haben.
Danke für den Tip da oben, aber die Scheibe habe ich bereits vor knapp 2 Wochen gekauft.
@Jan Dilba («
Ich bin nur schlicht seit Jahren ein wirklicher Fan der oft geschmähten Weltmusik. »):
Bitte hier (http://www.sziget.hu/fesztival/programkere…) entlang! Insbesondere 9. August: Tinariwen gefolgt von C. Evora ist bestimmt was für Dich. Aber auch sonst ...
@Kukuruz (« @Jan Dilba («
Ich bin nur schlicht seit Jahren ein wirklicher Fan der oft geschmähten Weltmusik. »):
Bitte hier (http://www.sziget.hu/fesztival/programkere…) entlang! Insbesondere 9. August: Tinariwen gefolgt von C. Evora ist bestimmt was für Dich. Aber auch sonst ... »):
Na herrlich, jetzt hast Du mir grad das wieder in Erinnerung gerufen, was ich die letzten paar Wochen an Enttäuschung versuchte, zu verarbeiten.
Um diese Zeit bin ich leider vom Job her absolut nicht abkömmlich, ansonsten hätte ich die Tickets von RyanAir gen Ungarn schon in der Tasche gehabt.
So viele gute Namen....Rachid Taha, Salif Keita, Alpha Blondie, Manu "Makossa" Dibango.
Glaub mir bloß, mir blutet echt das Herz.
@Jan Dilba («
Na herrlich, jetzt hast Du mir grad das wieder in Erinnerung gerufen, was ich die letzten paar Wochen an Enttäuschung versuchte, zu verarbeiten.
Um diese Zeit bin ich leider vom Job her absolut nicht abkömmlich, ansonsten hätte ich die Tickets von RyanAir gen Ungarn schon in der Tasche gehabt. »):
Oh, tut mir leid. Aber viellecht wirds ja nächstes Jahr was. Es sind eigentlich immer mindestens vier fünf afrikanische Pop-Beiträge auf dem Sziget dabei. Und mindestens das Konzert mit Rokia Traore habe ich in sehr sehr guter Erinnerung.
Die Platte von Angelique Kidjo betreffend: Ich hab sie ja nicht, aber in die Anspielschnipsel von Amazon habe ich grad' mal reingehört. Vor allem auf "Gimme Shelter" (einer meiner absoluten Langzeitfavoriten-Songs) mit Joss Stone zusammen war ich gespannt. Nein, der Stil ist einfach nicht so mein Geschmack. Vor allem nicht im direkten Vergleich zu Patti Smith, die das Stück auch gerade auf ihrer letzten Platte neu-interpretiert hat.