laut.de-Kritik

Die Britin auf den Spuren von Phil Collins.

Review von

Bisher stand Anna Calvi für Dunkelheit und Schwermut. Für Art Rock und kleine Indie Rock-Symphonien. Fünf Jahre nach ihrem letzten Album
"One Breath" lässt sie diese jedoch zurück und kleidet sich in ein weitaus poppigeres Gewand. Fallen ihre Texte auf "Hunter" direkt und deutlich aus, will ihrer neuer Sound am liebsten mit jeder Note gefallen. Vollgepackt mit Gated Reverb-Drums klingt "Hunter" gerade in der ersten Hälfte wie ihr Phil Collins-Album.

Vielleicht ist es daher ihr bisher wichtigstes, da sie auf diesem Weg mit feministischen Mitsummnummern wie "Don't Beat The Girl Out Of My Boy" oder "As A Man" mehr Menschen erreicht und zum Nachdenken anregt als zuvor. Gleichzeitig schiebt sich der neue Sound wie ein Schutzschild zwischen die Sängerin und die Zuhörerschaft. Spürte man Calvi auf den Vorgängern noch förmlich für ihre von Überraschungen gespickten Musik bluten, bleibt sie nun ungewöhnlich gradlinig und distanziert.

Ein neue Ausrichtung, die sie zwar gelungen umsetzt, jedoch nicht über die ganzen zehn Stücke aufrecht erhält. Immer wieder bricht die alte Anna durch das neue Konzept hindurch. In "Indies Or Paradise" schimmert Postpunk durch die fleckenlose Produktion, die Calvi mit einem garstigen Gitarrensolo endgültig einreißt. Die Diskrepanz zwischen diesen Extremen sorgt für die spannendsten Momente auf "Hunter". Dementsprechend mischt das Titelstück Genesis der Achtziger mit etwas Twin Peaks und einem Text aus dem kleinen Handbuch der düster Dreinschauenden. "I dressed myself in leather / With flowers in my hair".

In der zweiten Hälfte geht der Pop-Ansatz zunehmend verloren, erinnern Songs wie "Eden" und "Wish" wieder zunehmend an die beiden vorherigen Alben der Britin, ohne ganz deren Klasse und Tiefe zu erreichen. Diese späte Rückbesinnung lässt "Hunter" unentschlossen wirken. Wie eine Weggabelung im Wald, vor der Anna Calvi nun steht und nun noch nicht sicher ist, welchen Pfad sie letztendlich einschlagen soll. Kehrt sie zurück zu ihrem bisherigen Klasse, oder gibt begibt sie sich ganz in die Hände des AOR-Radios? Die Auflösung folgt auf dem nächsten Album.

Trackliste

  1. 1. As A Man
  2. 2. Hunter
  3. 3. Don't Beat The Girl Out Of My Boy
  4. 4. Indies Or Paradise
  5. 5. Swimming Pool
  6. 6. Alpha
  7. 7. Chain
  8. 8. Wish
  9. 9. Away
  10. 10. Eden

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