laut.de-Kritik
Intime Spoken-Word-Seelenschau der Britin.
Review von Daniel StraubSchaut man auf die nunmehr rund zwanzigjährige Karriere von Anne Clark zurück, so lassen sich unter einer Vielzahl von Releases und Tourneen einige Brüche aufzeigen, die man der charismatischen Frau nicht unbedingt zugetraut hätte. Ihre zu Beginn der 90er an den Tag tretende Hinwendung zu akustischen Instrumenten darf ebenso hierunter verbucht werden, wie die zur selben Zeit entdeckte Liebe für unberührte Naturlandschaften.
Eine Konstante, die sich durch das gesamte bisherige Schaffen der Engländerin zieht, sind ihre poetischen Lyrics. Mit ihrem jüngsten Release "Notes Taken, Traces Left" präsentiert Anne Clark ihre Texte erstmals ohne schmückendes, musikalisches Beiwerk.
Auf zwei Silberlingen verquickt Anne Clark sehr persönliche Anekdoten aus ihrem Leben mit den Lyrics ihrer Songs zu einer intimen Seelenschau, die vor allem bei Fans hoch im Kurs stehen dürfte. Die wortgewaltige Dichterin nimmt die Hörer bei der Hand und geht mit ihnen zusammen auf Erinnerungsreise ihre Vergangenheit.
Weit zurück führt sie der Weg, bis zu dem Punkt, wo die Persönlichkeit Anne Clark sich zu formieren begann. Von den Bruchstücken früher Kindheitserinnerungen zieht sie den trübenden Schleier der Zeit weg und setzt aus ihnen eine spannende Geschichte zusammen, an deren Ende die Person Anne Clark plastischer als jemals zuvor im Raum steht.
Wer die blonde Britin jüngst auf ihrer Lesetour erleben durfte, dem werden die starken Eindrücke noch in lebhafter Erinnerung verblieben sein. Die enorme Präsenz, die sie ausstrahlte und mit der sie die Zuhörer von Beginn an in ihren Bann zog, begeistert.
In der beinahe schon meditativen Atmosphäre ihrer Lesung schwoll das Atemgeräusch der Nachbarn zum lauten Schnauben an, einzig in Schach gehalten von Anne Clarks einzigartiger Stimme. Mit der füllte sie ihre frühesten erinnerbaren Eindrücke mit Leben. Zum Beispiel, wie sie da sitzt, die kleine Anne, mit den Actionfiguren ihres Bruders spielt, zu dem sie nie eine besondere Beziehung aufbauen konnte.
In solchen Momenten, bei denen man sich wie ein aufdringlicher Voyeur fühlt, der ungefragt in die Intimsphäre anderer Menschen eindringt, bricht Anne Clark mit viel Feingefühl die Spannung und bringt mit Zitaten aus ihren Songs wieder etwas Distanz zwischen sich und die Zuhörer.
Zeit, einmal gründlich Luft zu holen. Anne Clarks auf unzähligen Vinyls und CDs verarbeiteten Gedichte über Entfremdung, Einsamkeit und Weltschmerz nehmen sich neben den schonungslos ehrlichen Anekdoten gar wie ein wohliges Labsal aus, was wohl die größte Überraschung auf "Notes Taken, Traces Left" darstellt.
Vielleicht veröffentlicht Anne Clark "Notes Taken, Traces Left" auch deshalb zusätzlich zum Doppelsilberling auch noch in Buchform, um ihren Fans so die Möglichkeit zu geben, zwischen einem Hörbuch, das die atmosphärische Dichte ihrer Lesetour nahtlos fortschreibt, und einem sehr viel unpersönlicheren Abdruck in Buchform wählen zu lassen.
1 Kommentar
Ich schreibe NUR in Bezug auf das "Notes Taken, Traces Left" Buch im Druck. Das Buch is voller Fehler und ich habe angefangen mit Anne daran zu arbeiten, aber ein grosser Schicksalsschlag kam dazwischen und andere Dinge. Mein offener Brief an Anne, auf Englisch:
https://goodmourning514840966.wordpress.co…
Petra