laut.de-Kritik

Über das Leben und Lieben der Generation Y.

Review von

"Du hörst dir tausend Geschichten an, was ich alles machen werde, wie und wo und wann / und dieses und jenes, aber alles nix konkretes" erklärt May im treibenden "Es geht mir gut" - und genau das tut der Hörer auch: Es sind Alltagsgeschichten und Erlebnisse, die uns auf "Alles Nix Konkretes" vorgesetzt werden. Teilweise sehr banal, teilweise traurig und berührend, aber vor allem eins: authentisch und ehrlich. Keine konkrete Kritik an der Welt, keine großartigen Probleme werden adressiert. Viel eher singen Annenmaykantereit wie in "Es geht mir gut" auch mal über's Zufrieden sein.

Wen das juckt, der hat vielleicht ein Problem damit, dass vier junge Musiker mit so trivialen Lyrics so einen enormen Erfolg genießen. Aber genau das ist – neben ihrer unermüdlichen Live-Präsenz und der Eigenvermarktung – ihr Geheimrezept: Annenmaykantereit sprechen das aus, was die heutige Generation Y genauso nachempfinden kann. Neue WG-Zimmer mit ungewöhnlichen Geräuschen ("Neues Zimmer"), eine verzwickte Liebesbeziehung ("Pocahontas"), die Trennung von einem guten Freund ("Wohin du gehst") – alles schon erlebt. Been there, done that.

Und trotzdem klingen Zeilen wie "Jeder auf seine Weise Schisser/ Vertrauen ist gut, Kontrolle für Besserwisser" irgendwie weise, wenn sie aus Henning Mays Mund kommen. Vielleicht, weil seine markante Stimme nach jahrelangem Kippen- und Whiskeykonsum klingt, wie die Stimme eines gestandenen Mannes. Vielleicht aber auch, weil man ihm und dem Rest der Band zweifellos abnimmt, all die erzählten Geschichten aus ihren Songs selbst vor kurzem erst erlebt zu haben.

"Wir wollen, dass uns die Leute als Menschen wahrnehmen, und nicht als Bühnenschablonen oder jemanden, den man auch mal mit dem Becher bewerfen kann", ließ die Truppe kürzlich in einem Interview verlauten. Dieser Respekt, der ihnen tatsächlich entgegengebracht wird, basiert zum Großteil auf der Authentizität ihrer Texte, aber auch ein Stück weit auf ihrer Geschichte. Selten hat es eine Band aus eigener Kraft von der Straße auf Youtube, in ausverkaufte Konzerthallen und schließlich in die Charts geschafft.

Vor allem Stücke wie "Oft gefragt", eine Liebeserklärung an Mays Vater, treffen direkt ins Herz. Weil man den eigenen Eltern auch dankbar für alles ist, da aber selten gezielt drüber nachdenkt. Dank AnnenMayKantereit wird einem bewusst, was Familie wert ist, ein paar Songs später aber auch, dass man noch gar nicht wissen kann, was man vom Leben will. Zumindest im Alter von 21 bis 23, wie es der Track "21, 22, 23" predigt. Für das schleppende Emo-Stück "Bitte Bleib" wird dann sogar die Trompete ausgepackt, ansonsten besinnen sich die vier Kölner textlich wie musikalisch aufs Wesentliche.

So machen die zwölf Titel auf "Alles Nix Konkretes" Spaß, auch wenn man nicht mehr direkt in den Anfängen seiner Zwanziger steckt, denn wie gesagt: Alles schon erlebt. Ein bisschen, wie die Tomte der jetzigen Generation. Hier und da steckt trotzdem ein Hauch Unvergänglichkeit in den Texten. Außerdem wissen Annenmaykantereit genau, wann es Zeit ist, zu tanzen, und wann man lieber nur ruhig zuhört.

Mal kraftvoll und wütend, mal sehnsüchtig oder ernst singt sich Henning May durch die Platte, während Christopher Annen, Severin Kantereit und Malte Huck beweisen, dass sie ebenfalls ihr Handwerk beherrschen. Ehrlich und mit minimalem Aufwand, aber ja, die Tiefgründigkeit haben die vier nicht erfunden.

Zwölf Akustik-Deutschrock-Songs, die fast alle schon vor dem Release von "Alles Nix Konkretes" im Internet verkehrten – und dennoch: Kaum ein Album wurde in diesem Jahr so sehr erwartet, wie das von Annenmaykantereit. Es ist allerdings nicht – wie oft fälschlicherweise angenommen - ihr Debüt. Das hatten die vier Jungs schon 2013 in Eigenregie veröffentlicht.

Nach der EP "Wird schon irgendwie gehen" vom vergangenen November jetzt also der zweite Longplayer unter dem Dach des Majors Universal. Druck mag da vielleicht auf den Schultern der vier Jungs gelastet haben, aber der fällt auf der Stelle ab, wenn sie einen Blick auf ihre anstehenden Tourneetermine werfen: Restlos ausverkauft. Kann diese Band eigentlich noch irgendwas falsch machen?

Trackliste

  1. 1. Oft gefragt
  2. 2. Pocahontas
  3. 3. Es geht mir gut
  4. 4. 3. Stock
  5. 5. Wohin du gehst
  6. 6. Mir wär' lieber, du weinst
  7. 7. Bitte bleib
  8. 8. Neues Zimmer
  9. 9. Barfuß am Klavier
  10. 10. 21, 22, 23
  11. 11. Länger bleiben
  12. 12. Das Krokodil

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46 Kommentare mit 195 Antworten

  • Vor 8 Jahren

    Warum wird diese Band so gehypt?
    An der Stimme hat man sich schnell satt gehört, alles klingt gleich langweilig.
    Und dann noch die Mär des ersten Albums. Mensch es gibt heute Internet und Google.
    Live haben sie immerhin mehr Drive als auf diesem glattgebügelten Major Album.

  • Vor 8 Jahren

    Naja ich habs mir versucht noch mal neutral anzuhören. Und ich habe mich gefragt warum sich in mir alles umdreht wenn ich Songs von der Band höre. Neid? Missgunst? Oder finde ich sie wirklich einfach unästhetisch scheiße?
    Vielleicht ein bisschen von allem. Vielleicht provoziert mich aber auch einfach nur wenn mir so eine naive Musik als der große Wurf verkauft wird. Als Marktlücke, Als kongenialer Schachzug. Als die personifizierte Ehrlichkeit der Musik. Die Produktion und Vermarktung hinter der Band hängt den großen sell-outs allerdings kaum hinterher.

    Solche Bands haben natürlich immernoch ihre Daseinsberechtigung, keine Frage. Wer sie hören will mag sie hören. Sollen sie ruhig entsprechend in den Fussgängerzonen von Duisburg, Oberhausen, Chemnitz, Siegen, usw. spielen - eben da wo ich mich selten, oder selten freiwillig aufhalte.

    Den großen Erfolg der Band kann ich dennoch schwer nachvollziehen. Musikalisch ist das stellenweise solide, aber bei weitem nicht spannend oder innovativ. Für mich persönlich eigentlich ziemlich zum Gähnen. Die Stimme; naja. nicht mein Geschmack. Singen kann er nicht wirklich. Vielleicht könnte man was interessantes mit der Stimme machen. Aber genau das machen sie nicht. Am schlimmsten an der Musik sind nämlich vor allem die Texte. Naiv und plakativ bis zum Umfallen. Stellenweise erbärmlich. Klingt wie aus dem Tagebuch jedes x-beliebigen Teenagers. Ich bin zu alt für diesen Scheiß.