laut.de-Kritik
Facettenreiches Violaspiel, expressiver Gesang und starke Melodien.
Review von Martin LeuteWenn eine junge Musikerin mit ausdrucksstarkem Gesang auf Gitarren verzichtet und stattdessen auf die Viola setzt und zudem Steve Albini als Produzent ihres Debüts vermerkt ist, klingt das zunächst vielversprechend. Anni Rossi nennt sich die 23-jährige Amerikanerin, die mit ihrer Musik die Experimentierfreudigkeit und Verspieltheit einer Scout Niblett oder Brenda Kahn aufnimmt und klingt, als träfen sich Regina Spektor und Joanna Newsom zu einem musikalischen Stelldichein.
Mit dem Opener "Machine" führt Rossi mit kauzigen Stimmkapriolen eindrucksvoll in ihre Welt ein. Ein geklopfter Rhythmus und spröde Percussions begleiten die zuerst nur gezupfte Viola, die die gutlaunige Melodie stützt.
Nach diesem grandiosen Einstieg überrascht sie in "Ecology" mit astreinem Synthie-Arrangement und zurückhaltenden Cello-Einlagen, ehe sie mit dem balladesken "Las Vegas" auf die Reduktion aus Bratsche und Drums setzt und ihre eindringlichste Wirkung erzielt. Weitgehend setzt sie in ihren Liedern auf diesen Minimalismus, der auch ihre Interpretation des Ace Of Base-Songs "Living In Danger" auszeichnet und ungeahnte Grüße verleiht.
Anni Rossi punktet immer wieder mit dieser sympathisch spröde anmutenden Instrumentierung, raffinierten Tempowechseln und ihren einnehmenden Melodielinien, denen ihr unkonventioneller Gesang gerne die Glätte austreibt. Das dramaturgisch spannungsreiche "Deer Hunting Camp 17" fasziniert dabei mit rasanten rhythmischen Variationen, während Rossi alle Spielarten auf der Viola ausschöpft.
Und wenn ihre Texte und die Musik ein Höchstmaß an Symmetrie erreichen wie im Popappeal ausstrahlenden "Wheelpusher", dann kommt man Anni Rossi nicht mehr vorbei. Dass sie sich lyrisch mit dem Lebenskreislauf eines Schmetterlings auseinandersetzt oder das Leben eines Barmanns im Himalaja imaginiert, ist dabei eine amüsante Nebensache.
Der letzte Track "Air Is Nothing" ist nicht der einzige, der atmosphärisch an die "Rid Of Me"-Phase von PJ Harvey erinnert, auch wenn Anni Rossis Musik und Gesang auf den aggressiven Aspekt verzichten und dem Pop näher stehen.
"Blackwell" das kreative Debüt einer Singer/Songwriterin, die ihre Individualität zwischen Indiepop und Freakfolk gekonnt auslebt und untermauert, dass sich Kratzbürstigkeit und Harmonie nicht ausschließen müssen.
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