laut.de-Kritik
Das hoffnungsvolle Bild vom Widerstand.
Review von Christian KollaschÜber 20 Jahre Protest und immer noch wütend: Anti-Flag machen auch auf ihrem zehnten Longplayer das, was sie am besten können und kämpfen mit drei Akkorden gegen das Establishment. Und wie es das Cover vermuten lässt, richtet sich "American Fall" vor allem gegen Donald Trump, der seine milliardenschweren Pobacken in den Sessel des Weißen Hauses gepflanzt hat. Nachdem die Jungs aus Pittsburgh George W. Bush mit ihrem Album "The Terror State" ins Visier genommen haben, blieb ein scharfes Statement gegen den amtierenden Präsidenten nur eine Frage der Zeit.
Der bekommt gleich im Opener seine nationalistische Wahlkampagne um die Ohren gehauen: "Your insecurity is all they're coming after / This propaganda so impossible to resist / With ideology at least he's being honest". Dass sie zu "Make America Great Again" eine ganz eigene Meinung haben, bewiesen Anti-Flag schon damit, als sie US-Flaggen verbrannten und aus den Überresten Schallplatten produzierten. So liefern sie auf "American Fall" die Antihaltung zum Mitsingen, wie es das antikapitalistische "The Criminals" klarmacht. Warum sollte man in schweren Zeiten die Schultern hängen lassen, wenn man zu Protestsongs auch Flunkyball spielen kann?
Das Album zerfließt zu keiner Sekunde in Selbstmitleid, sondern zeichnet ein hoffnungsvolles Bild vom Widerstand. Am besten gelingt das dem Quartett mit dem partytauglichen Ska-Track "When The Wall Falls", dessen Refrain ebenso gut bei nordirischen Fußballfans aufgehoben wäre. Hass und Feindseligkeit überlassen Anti-Flag ihren Gegnern, während sie auf "American Fall" ausgelassen mit dem Finger auf sie zeigen. Harte Themen treffen hier auf Spaßpunk.
Richtig rotzig geben sich Anti-Flag erst mit "Liar", das sich mehr in Richtung Hardcore bewegt und Donald Trumps Grenzpolitik mit wilden Bassläufen abstraft: "I'll never trust you, you're just a liar / Closing the border of a fallen empire". Zusammen mit "Digital Blackout" gestaltet sich die Mitte der Tracklist als der harte Kern des Albums. Die Band hat hier auch noch ein Hühnchen mit Barack Obama zu rupfen, dessen aufgestocktes Dronenprogramm, einen 'sauberen' Krieg vorgaukelt. Dementsprechend aggressiv springen Anti-Flag mit dem ehemaligen Hoffnungsträger um - und erstmals passt der Sound zum morbiden Coverartwork.
Die Sause geht aber spätestens dann weiter, wenn Anti-Flag allen Aber-Nazis den Spiegel auf "Racists" vorhalten: "Just 'cause you don't know you're racist / You don't get a pass when you're talking your shit". Das antifaschistische Bierpong-Anthem dürfte einen sinnvollen, amerikanischen Neuentwurf zu Klassikern wie "Schrei Nach Liebe" abgeben, wenn sich Fremdenfeindlichkeit nicht nur in kahlrasierten Dumpfbacken manifestiert, sondern unter der Mitte der Gesellschaft schwelt.
So gerät "American Fall" zwar nicht zu einem ikonischem Protestalbum, dessen Songs noch Jahrzehnte später in alternativen Schuppen gespielt werden, liefert aber eine zu diesem Zeitpunkt wichtige Botschaft. Anti-Flag kämpfen nicht nur gegen die Elite, sondern auch gegen den Schwermut aller, die jetzt etwas verändern wollen. Jeder resignierte Aktivist sollte diese Platte mal auflegen. Und gute Musik gibts noch obendrauf.
2 Kommentare
Find die Platte eher Mittelmaß und fast schon zu poppig. Kommt davon wenn man Good Charlotte auf den Produktionssessel lässt. 3/5 weil jahrelanger Fan und manche Songs doch gut knallen.
von songmaterial her eigentlich solider durchschnitt.
nur leider ist die produktion halt völlig am thema vorbei.