laut.de-Kritik
Von Schustern, Leisten und Reimen, die keine sind.
Review von Steffen EggertDie Herren Koljah, Panik Panzer und Danger Dan feiern das 15-jährige Bestehen ihrer Posse mit einem neuen, etwas anders gearteten Album. Die gerne subversiv auftretenden Sprechkünstler haben in der Vergangenheit vor allem mit smarten Texten und einem subtilen, angenehmen Humor von sich reden gemacht, wobei die größte Aufmerksamkeit aber zuletzt klar Danger Dan galt. Sein völlig zurecht erfolgreiches, sympathisches und ehrliches Pianoalbum kam einem Bombeneinschlag gleich und verzückte Fans und Feuilletons.
Mit "Alles Muss Repariert Werden" legt die gesamte Gang jetzt eine Art Doppelalbum vor, das das eigentliche Tagesgeschäft der Truppe mit deren Wurzeln oder "zweiter" Identität verbinden soll. Während sie also eine Hälfte mit vornehmlich gewohntem Deutschrap bespielen, findet sich auf der anderen Punk. So völlig neu erscheint die Idee nicht, da sie bereits 2017 bei "Anarchie und Alltag" ein Bonusalbum mit Features von Punk-Künstler*innen angehängt hatten. Ein recht geglücktes Experiment, sei hierzu erwähnt.
Aber gut, bevor wir uns dem neuen Wind entgegenstellen, nehmen wir uns das Produkt des eigentlichen day jobs der rappenden Hornträger vor. Insgesamt fallen die einzelnen Stücke deutlich ruhiger und zahmer, aus als von bisherigen Outputs gewohnt. Der vor tiefer Melancholie strotzende Opener "Nichts Für Immer" fungiert als höchst dezente Einleitung und bringt angenehme Gitarrenmelodien, Klaviersprenkel und sogar Streicher mit. Dramatisch und inhaltlich von Veränderungen, vielleicht auch vom Erwachsenwerden kündend, mit einer stetig ansteigenden Spannung, leitet er trotz völligen Ausbleibens von Beats schon stark in die Platte ein.
Auch das folgende "Traumtänzer Und Schönmaler" beginnt verhalten, nimmt aber schnell Fahrt auf, kommt dabei trotzig, wütend und traurig daher und sprayt finstere Zukunftsvisionen für Gesellschaft und Mutterland an die Wände. Während die auf die drei Protagonisten aufgeteilten Rap-Parts echt noch gut im Flow bleiben, fallen die ersten Ungereimtheiten (pun intended) auf, und auch der Chorus wirkt ein wenig platt.
Das Anfang des Jahres bereits veröffentlichte, kontrovers diskutierte zudem von den Springer-Medien durchaus lobend erwähnte "Oktober In Europa" erfährt eine vermeintliche Veredelung seitens Sophie Hunger. Die Schweizer Chanteuse wirkt mit ihren verzweifelt gehauchten Worten leider etwas deplatziert und alles im Gesamten doch recht aufgesetzt. Den Nahostkonflikt zu thematisieren erfordert ordentlich Chuzpe, keine Frage, ob das hier nun gelungen ist oder nicht, damit mögen sich die fachlich Versierten auseinandersetzen. Der Song an sich leidet unter seiner weinerlichen, bewusst gefällig konstruierten Stimmung und driftet leider ins seichte Anprangern ab.
Als eigentlich letztes, wirklich halbwegs ernstzunehmendes Stück geht "Rannte Der Sonne Hinterher" durch, in dem Abschied vom großen, kürzlich verstorbenen Torsun Burkhardt (Egotronic) genommen wird. Das Stück darf gerne als perfektes Beispiel dafür herangezogen werden, dass man echte, authentisch verarbeitete Gefühle erkennt, wenn man sie hört. Neben erneut melancholischen Klaviertönen ballern immer wieder eigentlich völlig irrational wirkende Breakbeats durch den Hörbereich, die erst dann Sinn ergeben, wenn man Torsuns Musik kennt. Nices Gimmick, dem Flow nicht wirklich zuträglich, aber angesichts der Message verzeihbar. Die Strophen sind echt gut, die Hook kränkelt leider wieder ein bisschen an mittelschwerer Profanität.
Bei aller Liebe zu Gang und Genre, spätestens mit "Direkter Vergleich" gehen den Buben die Gäule durch. Reggae-Beats mit Orgel, ein alberner Rundumdiss gegen den musikalischen Rest der Welt und unverzeihlich blasphemische Worte in Richtung popmusikalischer Muttermilch verlangen Ohren und Gehirn ordentlich etwas ab. "Wir werden beschimpft, wir ecken nur an. Den Punkern zu Rap, den Rappern zu Punk." Nee, eigentlich ja gar nicht wirklich. Sollte das prollige Ding als Selbstironie durchgehen wollen, kommt leider wenig davon an. Lediglich billige, poppig-gefällige Einheitsplörre für Malle-Aficionados.
Nicht ganz so dümmlich gerät das zuckersüße, auch endlich weniger negative Vibes verbreitende "Das Leben Ist Schön", in dem die Antilopen, ähnlich wie Volker Lechtenbrink seinerzeit in der Platzpatronenkaffeewerbung, ihre Vorlieben aufzählen. Mit der völlig unspektakulären Pointe, dass das alles nix zählt, weil jemand nervt. Nun ja, immerhin hauptsächlich nur belanglos und ohne weiteren Nährwert. Das Gedudel und Geklingel der Synthesizer nervt allerdings tatsächlich.
"Für die, die uns nur mochten, als wir noch zu viert war'n. Und die, die bleiben, auch wenn wir uns mal verirrt haben", heißt es in "Für Wenige" und trifft offenbar bewusst den guten Kern im Pudel. Es scheint, als wollten sie sich in Richtung große Masse verirren und wirklich Musik für jeden machen. Da regt sich nichts, da wird an gar nichts gerüttelt. Es plätschern die traurigen Tastentöne, und so richtig klar, worum es eigentlich gehen soll, wird es wohl den wenigsten werden.
"Alter Wegbegleiter" jammert sich im Anschluss weiter durch die Peripherie, wie so oft auf dem Weg hierher dominieren traurige Melodien, und jetzt geht um den offenbar unvermeidlichen Konsum von Rauschmitteln. Wenn man den Inhalt einige Male dreht, lässt sich vielleicht eine Warnung, auf jeden Fall immerhin eine gewisse Selbsterkenntnis zu einem ernsten Thema herausfiltern. Sätze wie "Ich wollte nie mehr über Drogen rappen, ich kann es selber nicht mehr hör'n, ich möchte nur, dass sich die Wogen glätten" machen es einem allerdings nicht so leicht. Auch die Kür, "schießen" auf "formulieren" zu reimen, ist keine.
"Sympathie Für Meine Hater" soll vermutlich wieder selbstironisch sein und beklagt im sehr einfachen Pop-Gewand Weltschmerz im Antilopenland. In allen Belangen unwichtige, scheinbar beliebig zusammengesetzte Worthülsen vermengen sich ohne richtig guten Flow zu einem wenig aussagekräftigen Konstrukt. Das könnte sogar den Kids, die sich den neuen, deutschen Belanglosigkeitspoppern hingeben, zu cringe sein. Zu soulig-funkigem Geschlurfe treiben lyrische Blüten wie "Alles, was ich weiß, ist, dass die Erde eine Scheiße ist" aus und nein, das ist nicht deep, Diggi. Man muss allerdings eines positiv erwähnen: Danger Dans Parts geraten hier und auch in anderen Stücken ein wenig griffiger als die der anderen. Rettet halt am Ende nichts.
"Wenn Das Hier Vorbei Ist", gehe ich mir erst mal ein kaltes Bier holen, die Gang wohl auf die nächste Kirmes. Ein wieder, sagen wir, eher preiswertes Reggae-Riff, clownige Melodien und absolut sackdämliche Rhymes feiern eine Party, die hoffentlich bald von der Ästhetikpolizei aufgelöst wird. Erneut will die Ironie auf die eigene Person oder Band einfach nicht ankommen. "Ich bin Tretbotverleiher und schaukel mir am Steg meine sehr großen Füße." Wat? Gottlieb Wendehals hat angerufen. Er möchte seinen legendär ausgezuzelten Flachwitz aus den 80ern zurückhaben. Leute! Was in aller Welt?
Nun, Rap hätten wir hiermit abgehakt. Aber der Tag hat sich natürlich noch nicht dem Ende zugeneigt, da erst noch der nächste vermeintliche Geniestreich zur Beurteilung ansteht. Natürlich trägt die Gang den Punk im Herzen. Damit gehen sie seit jeher offen um, die bereits erwähnten Features konnten sich absolut sehen lassen, und auch Dans ultragutes Knochenfabrik-Cover im Rahmen der Pianophase lässt sich kaum mehr wegdenken. Warum also nicht selbst machen (lassen)?
Der "Oberbürgermeister" eröffnet das Spektakel und macht dabei nicht einmal unbedingt die schlechteste Figur. Es zielt auf die richtigen Leute, und der Chorus ist tatsächlich catchy as fuck. Bei genauerem Hinhören wirkt allerdings alles glatt, künstlich und wie aus dem kleinen Punksong-Baukasten zusammengesetzt. Natürlich erkennt man, dass sich die Antilopen hier vor allem beim klassischen '77er Punk bedienen möchten, so simpel und direkt, wie hier gewerkelt wird. Leider fehlen komplett die Authentizität, der Bums, das Kratzen und das gewisse Feeling. "Den Punkern zu Rap", ihr erinnert euch?
Aus ganz ähnlichen Gründen kränkelt unter anderem das grundsätzlich gar nicht schlechte "Kein Problem": Das klingt, genau wie der Opener, ein wenig nach den frühen Die Toten Hosen, und die Gang reimt hier auch etwa genauso fleißig schlecht wie das Lutschbonbon und seine Mannen. Selbst die ausladenden Ohohos klingen schon arg nach den Vorbildern, werden aber immerhin von kräftigen Prollchören abgelöst. Ein kleines Feuer lässt sich so vielleicht entfachen, aber spätestens der Inhalt ist derart sinnbefreit, dass man über das Prädikat "ganz nett" kaum hinauskommt.
Apropos Inhalt. Kurze, eigentlich ganz knackige Nummern wie "Muttertag" oder das abschließende "Destroy (Nichts Soll Mehr Kaputt Gemacht Werden)" lassen sich am besten im Bereich des kaum tot zu kriegenden Post-Punks verorten, und Bands wie etwa Abwärts sollten hier Pate gestanden haben. Ja, einen gewissen Charme hat der buchstäbliche Nonsens in den Texten, vielleicht zählt das auch zum besonderen Humor der Truppe, aber zugegebenermaßen steht es den echten Punks halt doch deutlich besser. Das hardcore-punkige "Aal" schlägt zwar in eine ähnliche Kerbe, hier mimen die Buben allerdings so schön verschmitzt und empört, dass man geneigt ist, es ihnen durchgehen zu lassen. Dafür ist es halt sehr kurz.
Was in aller Welt sie sich mit "Weg Von hier" oder "Der Romantische Mann" gedacht haben, will dem Rezensenten dagegen einfach nicht in den Kopf gehen. Billigster Imitatpunk, blutleer und seelenlos, dazu grausige Pennälerlyrik, die selbst Fans von Mark Forster und Konsorten zu banal erscheinen sollte. Wie kann man solch unnötiges Material auf ein groß angepriesenes Punk-Album packen und erwarten, dass da überhaupt irgendwer die ranzige Couch verlässt? Ach ja, "Ruhrpott Rodeo" schießt in Richtung der eigenen Bubble und macht sich über alternde Punks und das besagte Festival lustig. Warum? Der Bild-Zeitung gefällt die Haltung vermutlich. Oder ziehen wir beim Singen ein Augenlid nach unten? Man wird nicht schlau daraus.
Die beiden Augenzwinkerperlchen "Netter Nachbar" und "Mord Auf Dem Kreuzfahrtschiff" erzählen zwei der langweiligsten Geschichten, die der (Fun)-Punk jemals von sich gegeben hat. Ohne Pointe, ohne Spannung, ohne nachweisliche Ambitionen, etwas Nachhaltiges zu formen. Genau wie auch "Ich Helfe Nicht Bei Umzügen" offenbart sich schnell die inhaltliche Absicht, aber ähnlich wie bei Schulhofwitzen kann man diese Posse nur ein einziges Mal reißen, weil sie sich direkt abnutzt.
Wer sich für Intimfrisuren von Bodybuilder*innen interessiert, der geht zu "American Fitness Am Hermannsplatz", das dank Danger Dans (in diesem Fall tatsächlich leicht spürbaren) Sinn für spaßige Texte gerade noch durchgeht, am Piano aber sicher schöner erzählt gewesen wäre.
Ganz ehrlich, ein Verriss der Gang fühlt sich nicht gut an. Wir haben es ja immer noch mit einer grundsympathischen Truppe zu tun, die wirklich die Herzen am rechten Fleck tragen und eigentlich auch immer das Richtige zu sagen haben. Warum sie sich hier nicht mehr auf das Wesentliche konzentrieren, sondern gleich zwei Genres nur halbseiden bedienen, erschließt sich nicht.
Macht doch in Zukunft bitte wieder ganze Sachen. Für die, die euch mochten, als ihr noch zu viert wart. Und die, die bleiben, wenn ihr euch verirrt habt. Und für mich.
10 Kommentare mit einer Antwort
Schon immer super flach gewesen, jetzt passt die Musik immerhin zum Inhalt.
Ich persönlich fände es wesentlich interessanter, wenn sie versuchen würden, aus Punk und Hip-Hop irgendwas innovatives neues zu kreieren, anstatt das getrennt zu releasen.
2/5 wegen mangelnder Terror-Sympathie.
Könnte vielleicht auch an den bescheidenen Tracks von vorvorgestern liegen, die 2/5.
Als Antilopen Fan bin ich eher wenig begeistert. Die Rap Platte klingt ein wenig als hätten Die Prinzen sich an Rap versucht.
Musik zum Abgewöhnen
Schräg runtergeputzt! Wie auch immer.
Anspiel Tips: Nichts für immer und Für wenige.
Und der 07. Oktober wird und alle noch Jahre in Anspruch nehmen.
Sophie Hunger hat ihre Textzeilen bestens überlegt. Großes Kino!