laut.de-Kritik
Zwischen Wischiwaschi-Pop und Smooth-Rap.
Review von Alexander EngelenGroß prangt ein Sticker auf dem Album des Künstlerkollektivs aus dem amerikanischen Süden: erstes Studioalbum seit zehn Jahren. Als ob das nicht jeder halbwegs interessierte, Conscious-Rap-affine Head wissen würde. Waren es doch Arrested Development, die mit Bands wie A Tribe Called Quest, De La Soul oder den Jungle Brothers die immer noch hoch gelobte Native Tongue-Bewegung ins Leben gerufen haben.
Jetzt schreiben wir das Jahr 2004, und sowohl Entstehung wie auch die Hochzeiten der Native Tongues liegen gute zehn Jahre hinter uns. Wenn man es ganz nüchtern betrachtet, herrschen derzeit für Arrested Development ähnliche Voraussetzungen wie vor dem Debüt "3 Years, 5 Months and 2 Days In The Life Of …" war. Die Mischung aus Rap, Pop, Folk, vielleicht Funk und einer gehörigen Portion Aussage ist jedenfalls derzeit im Musik-Zirkus nicht eben weit verbreitet. Man möchte meinen, dass somit die Ausgangslage viel versprechend ist. Doch wie so oft ist Vorsicht geboten, denn "Among The Trees" bewegt sich auf dem schmalen Grat zwischen überzeugendem Smooth-Rap mit nostalgischen Zügen und dem verwässerten Mix aus alten Hip Hop-Idealen mit schlichten Pop-Ambitionen.
Die durchgehende Gitarrenuntermalung kann man etwa als Manko wie auch als Bereicherung ansehen. Das soll beim besten Willen nicht auf fehlende Innovativität herauslaufen, trotzdem klingen die Stücke doch alle ähnlich. Das Positive daran ist, dass die Mischung aus Beat, Gitarre, Gesang und Rap durchaus für Entzückung sorgt. Auch über die Länge eines ganzen Albums. Neben der Gitarre ist es noch ein andere Konstante, die von Anfang bis Ende "Among The Trees" bestimmt: Speech.
Der Mittelpunkt des 19-köpfigen Künstlerkollektivs ist nicht nur stimmlich der erste Bezugspunkt, sondern prangt im Booklet von nahezu jeder Sparte der Song-Infos. Produktion, Percussions, Background-Gesang, Editing …, sogar das Album Artwork geht auf seine Kappe. Zu einem gewissen Teil kann diese Platte wahrscheinlich als neues Solo-Werk des Multitalents gesehen werden. Das ist angesichts der Fertigkeiten von Speech nicht einmal negativ zu werten. So lange aus seiner Feder Tracks wie das Bongo-getriebene "A Lotta Things To Do", das clappend-jazzige "Calling All Ghetto Children" oder die erste Single-Auskopplung "Esmeralda" kommen, hat Speech mindestens bei den Verfechtern des smoothen Sounds einen Stein im Brett.
Gerade "Esmeralda" verdeutlicht die Richtung, in die das gesamte Album geht. Die Gitarre schafft eine positive Stimmung, der Beat treibt an, Raps und Gesang tun ihr Übriges auf dem Weg zu einem Sommerhit. Über die Rapfertigkeiten der Herrschaften ist noch zu sagen, dass es sich hier nicht um die Flow-Könige vor dem Herren handelt. Selten aber war poppiger Rap-Style so hörbar, sogar über mehre Tracks hinweg. Dass die Inhalte der Raps alles andere als sinnentleert daherkommen, versteht sich außerdem von selbst.
Was soll man also von der Platte halten? Erfolgreiches Comeback der Rap-Musiker aus Tennessee oder Pop-verseuchter Wischiwaschi-Hip Hop? Letztlich muss sich diese Frage jeder selbst stellen, denn der schmale Grat, auf dem Arrested Development schreiten, ist je nach Blickwinkel doch unterschiedlich breit.
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