laut.de-Kritik
Intensiver Jazz-Pop mit einer unglaublichen Stimme.
Review von Philipp Kause"Ich brauche die Musik, um ein besserer Mensch zu werden. Musik kann heilen", sagte Ayo vor sechs Jahren, als sie mit "Fire" eine Hymne mit politischem Inhalt schuf. Auf "Royal" fehlt zwar ein ähnlich explosiver Song. Doch auch wenn dieses Album nun relativ still wirkt, bringt Ayo zu bouncenden Bass Drum-Schlägen und catchy Klavier-Harmonien wieder sehr viel in wenigen Minuten unter.
Die Begabung, in einem kleinen, kurzen Pop-Song große Bilder zu malen, ist die entscheidende Stärke dieser Soul-Songwriter-Platte. Achtet man nicht auf die Texte, plätschert die Musik angenehm nebenbei. Musik und Lyrics im Einklang werten die CD jedoch zu einem Chanson- und Statement-Album auf. Zugleich bereiten bluesig-jazzige Arrangements es edel auf.
"Ocean" und die Single "Beautiful" leuchten aus den zurückhaltenden Sounds mit besonderer Strahlkraft heraus. Im sozialkritischen Song "Beautiful" bilden Kontrabass, Mandoline, Klavier und Schlagzeug die Instrumentierung. Für Jazz klingt die Mandoline genauso ungewohnt wie der Kontrabass für den Pop. Ayo greift hier in ihrem Plädoyer für natürliche Schönheit den Trend auf, dass viele Frauen mit afrikanischem Migrationshintergrund ihre Wurzeln zu verbergen versuchen. Sie passen sich an den Mehrheits-Look an, machen sich zum Beispiel ihre Haare mit Glätteisen und Chemikalien kaputt, um betont unafrikanisch auszusehen.
Ayo schildert diese Trends, die Instrumente umrahmen dies vorsichtig. Dann nimmt die Sache Fahrt auf und die Klangdichte nimmt zu. Die Sängerin appelliert an Selbstliebe und Stolz: "When I was young I wanted my hair straight / Thought the frizzy look wouldn't suit my face / I'd blow it out but that wasn't enough / Until chemicals would break my hair, oh oh / (...) I had to love myself so I could shine / I would let my 'fro grow back / (...) And put on a shirt that said 'Black and Proud'."
Das glissando gespielte Klavier in "Né Quelque Part" (dt.: "irgendwo geboren") erzeugt eine geheimnisvolle Stimmung und eine weiche Klangfarbe. Mit orchestraler Marsch-Intensität und Bebop-Vibes zaubern Ayo und ihre Band einige harte Kontraste gegen diese Grundstimmung.
Danach vereinnahmt die Geschichte von Rosie und ihren violetten Schuhen. Das Mädchen wirkt schön, aber auch traurig, lächelt selten und spricht wenig. Außer schriftlich, in Gedichten. "Hey Rosie, Rosie, Rosie, Rosie blue / everybody needs some loving / and so do you", so einfach, so schlicht textet Ayo ihren Refrain über die depressive "Rosie Blue". Eine Hammer-Message entsteht hier durch schlichte Worte und den Einsatz von Farb-Metaphern. Mundharmonika, Kontrabass und Klavier führen mit Akzenten aus Country, Blues und Songwriter-Pop durch die engagierten Nummer.
Weitere Anspieltipps sind zwei Coverversionen, Das perkussiv-holzige "Throw It Away" mit Ayo in einer tieferen Stimmlage als sonst, und der Vocal-Jazz "Afro Blue" in Sade-Stil, mit wenig mehr als Kontrabass, Becken und Hi-Hat. In "Ocean" geraten Stimme und Akkordeon-Spuren ab und an etwas dramatisch. Der Raumklang des Songs mit bewussten Links- und Rechts-Zuspielungen einzelner Töne fühlt sich an, als würde man in der Musik schwimmen und webt einen wahrhaft großen Liebessong.
"Liebe ist wie der Ozean, in den ich eintauchen will / unendliche Hingabe ist, was ich für dich empfinde / Deine Liebe ist wie ein Reich der Utopie / so pur und so göttlich / wie der Himmel auf Erden". So schön drückt es die nigerianisch-Roma-stämmige Rheinländerin aus. In Frankreich liegt ihr das Publikum verständlicherweise zu Füßen. "Né Quelque Part" textete sie als einziges Lied auf dem Album auf Französisch, alle anderen Songs auf Englisch. Die gesamte Musik gruppiert sich eng um den Gesang und um Ayos kleinen, starken Storys. Ihre Stimme klingt überaus angenehm, durchwandert höhere und tiefere Tonlagen und überzeugt mit Festigkeit, Sicherheit, unglaublichem Charisma und viel Liebe.
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