laut.de-Kritik
Die Verwaltung eines Lebenswerks: "Einmal Star Und zurück."
Review von Dominik Lippe"Aggro Berlin ist jetzt über zehn Jahre her, aber für sie bin ich nur der Neger, nicht mehr." Von allen Rappern des früheren Erfolgslabels weist B-Tight mit Sicherheit die geringste Schnittmenge mit seinem damaligen Image auf. Während er sich als hyperpotente Schreckensfigur in Szene setzte, die auch mal in IS-Manier mit abgeschlagenem Kopf posierte, tritt er mittlerweile als sympathisches Schlitzohr auf, das ausgeglichen und selbstironisch sein Lebenswerk verwaltet. "Ich mache mich locker, geh' weiter meinen Weg. Solange wie ich Bock hab'. Wer weiß, wie weit es geht?"
Da wirkt es einigermaßen geschichtsvergessen, wenn er sich im schmissigen "Marionetten" von fremdbestimmten Künstlern bis zu nicht zurückzahlbaren Vorschüssen über die Umtriebe der heutigen Labels beschwert. "Einmal Star und zurück", lautet das Motto, das eigentlich schon in seiner Hochphase galt. B-Tight bevorzugt es nun, unabhängig zu agieren: Mit der von Eko Fresh bekannten Herangehensweise springt er in "Mach Ma!" zwischen den Spielarten des Rap und verbittet sich neunmalkluge Karrieretipps: "Danke für eure ganzen Tipps. Werde ich mir nicht zu Herzen nehmen."
B-Tight frönt lieber wieder phalluszentrierten Albernheiten. "Mein E Freund In" gibt das vergnügte Aushängeschild, mit dem sich der Rapper von der sonst so stahlharten Potenz verabschiedet: "Er spielt 'ne große Rolle, auch wenn er ziemlich kleen is'. Darf ich vorstellen: Mein Penis." In Zeiten zunehmender Gleichberechtigung darf Kitty Kat das weibliche Gegenstück geben. Bei so viel Liebe zur Freiheit wie Freizügigkeit hält sich das Interesse an militärischer Disziplin in Grenzen. "Links, Zwo, Drei, Vier" trompetet zum Morgenappell: "Kriege sind gar nicht mein Business."
Mitunter irrwitzig gestaltet sich die Produktion, die B-Tight alleine trägt. Den Instrumentals fehlt es in jeder Hinsicht an Nachdruck. "Ehre Wem Ehre Gebührt" durchzieht zumindest ein ganz netter funkiger Loop. "Wenn Ich Rappe" klimpert dagegen mit unklarer Stimmungslage vor sich hin. "Keine Gefangenen" kommt als Schmalspurversion von Tamas' Rap-Rock-Ausflügen daher. Und für "Links, Zwo, Drei, Vier" sampelt der Berliner Monologe aus Kubricks "Full Metal Jacket", während die Musik nach fröhlicher Militär-Comedy à la "Ich glaub' mich knutscht ein Elch!" klingt.
Nach der "Pause" geht es glücklicherweise ernsthafter zu. Während Cheater noch an der Erfüllung seiner Sehnsüchte arbeitet, konnte B-Tight seinen "Lebenstraum" bereits realisieren: "Es war geil, diese Zeit zu erleben. Doch ich bleib' nicht stehen. Zeit, um weiter zu gehen", zeigt sich der Berliner mit sich und der Welt im Reinen. Größere Probleme bereitet ihm da schon eher die Geschwindigkeit, mit der die eigenen Kinder aufwachsen. "Das Letzte Mal" mündet schließlich in einem Ausblick auf seinen Todestag, den er versöhnlich und abgeklärt im Kreise der Liebsten empfangen möchte.
"Die Natur zeigt uns wie klein wir sind." Mit der Lebensklugheit eines Mannes, der schon das eine oder andere Gebrechen zu verzeichnen hat, gibt sich der Rapper auch in "#machs Wieder Gut" brutal vernünftig. In entspannter Atmosphäre arbeitet er sich an Kinderarbeit, Umweltschutz oder der Kluft zwischen Arm und Reich ab. Bemerkenswert fällt auch "Gegen Den Strom" aus: "Als ich ein Kind war, wollt' ich immer alles richtig machen. War ziemlich behindert, denn die fing' an, über mich zu lachen. Diese Spinner, mich begann der Scheiß krank zu machen." Der abgeklärte B-Tight als Mobbing-Opfer?
Tatsächlich bricht dies auch im ehrlichen "Zeit Zu Gehen" auf, das erst gegen die Musikindustrie schießt, aber eigentlich seine Unsicherheit angesichts fehlender Anerkennung behandelt: "Viele, die mir ins Gesicht lachen, hinter'm Rücken über mich lachen. Eigentlich sollte es mir egal sein – is' es nicht. Was irgendwie beschissen ist." Dem Gefühl, dass ihn die Kollegen als "Dreck" wahrnehmen, begegnet er mit einem künstlerischen Anspruch, der bei aller Überlänge und Inkohärenz von "Bobby Dick" lobenswert ist: "Wenn es irgendwann Zeit zu geh'n ist, ist kein Problem: Kunst bleibt für ewig."
3 Kommentare
Bobby definitiv unhatebar, einer der wenigen der einfach das macht, worauf er Bock hat. 3/5 gehen btw klar.
Einfach ein sympathischer Typ der sich treu bleibt
4/5. Gerade in schweren Zeiten wie diesen braucht man manchmal einen Rapper, der alle deine Sorgen einfach weggrinst