laut.de-Kritik

Bitte denken Sie nicht nach!

Review von

Spoiler-Alarm: Balbina grübelt viel, denkt nach über das Grübeln und hat deswegen ein Album gemacht, auf dem sie ihr Grübeln vertont und über ihr Grübeln nachdenkt. Das ist total Metabene von ihr, aber leider - schon wieder Spoiler-Alarm! - kein besonders gutes Album. Die vielen Stimmen im Kopf, sie murmeln zum Auftakt alle wild durcheinander, das soll das innere Chaos symbolisieren, die eigene Unruhe, die Mühsal, man selbst zu sein. Die Stimmen kündigen an, dass sich so Balbinas Grübeln anhört.

Der Titel soll wie ein Essay klingen. Wie "Über die Freiheit" von John Stuart Mill zum Beispiel, oder irgendetwas anderes sehr Tiefsinniges. Wäre ja auch ein durchaus substanzielles Thema, die eigene Verkopftheit, das Verhaftetsein im eigenen Geist, das eigene Gehirn, das alte Scheusal. Hätte man durchaus spannend gestalten können. Es bleibt aber leider beim Konjunktiv.

"Ich grübel' und grübel' und grübel' den ganzen Tag / über dies und das / was könnte passieren / ich verliere den Faden", singt Balbina gleich am Anfang. Das möchte vielleicht gerne irgendwo zwischen diskursiven Pop im Inneren-Monolog-Modus und Kunstlied daherkommen, aber alles bleibt leider von Beginn an extrem angestrengt und mühselig. Nicht verkopft nämlich, sondern einfach nur erzwungen.

"Ich habe jetzt gerade so gar nicht den Kopf frei fürs Jetzt / denn ich denke nach, was vorgestern war / lenk' mich nicht ab." Muss beim Schreiben durchaus Sisyphos-Arbeit gewesen sein, diese ewigen Loops an Gedankensträngen, die nie wirklich mehr als Plattitüden bleiben. Für den Hörer ist das nämlich durchaus Sisyphos-Arbeit, vor allem bei einem solchen Refrain: "Ich zerbrech' mir echt den Kopf / er geht kaputt, kaputt / Wie ein Blumentopf der vom Balkon fällt / Er geht kaputt, kaputt." Aua.

"Das Ist, Die Zeit Ist Ein Egoist" handelt von der Vergänglichkeit und dem Zeitparadoxon, dass das "ist" jetzt schon vorbei ist. Klingt nach Geschwurbel, ist es auch. All das wird auch bei "Oropax" nicht besser. "Irgendwer singt lalala", schon wieder Metaebene, eigentlich. Das Klavier klimpert, klimpert, klimpert. "Nichtstun" hört sich in Zeiten des Post-Kapitalismus und des Humankapitals subversiv an, bleibt jedoch bei ziellosen Gedankenspielchen. "Kann sich die Langeweile bitte mal beeilen?", singt Balbina, und weiter: "So grundlos schlagen wir die Zeit tot." Der Konsens: "Ich muss etwas gegen das Nichtstun tun, denn das Nichtstun tut mir gar nicht gut."

So viel innerer Zwiespalt, so viel gewollter Tiefgang, so viel Affekt und so wenig tatsächliche Substanz. "Ich steh' zwischen den Stühlen wie ein Tisch. Ich weiß nicht was ich will", die Platte ist voll von derartigen Plattitüden.

Manchmal dürfen dann auch Rapper ran. Auch das macht das nicht besser. "Tisch" klingt wie "Spiegel" von Tic Tac Toe, weder lyrisch noch philosophisch besteht da viel Unterschied. Oder "Goldfisch", da heißt es: "Goldfisch, du und ich, wir haben was gemeinsam / wir beide sind einfach vergesslich / Nur ich glänz' nicht so schön wie du." Ja, wirklich.

"Über Das Grübeln" ist ein innerer Monolog, nur leider kein besonders spannender und ergiebiger. Wie ein Tagebucheintrag, bei dem man davon ausgeht, dass das alles jemand lesen wird, und man sich deswegen ganz besonders Mühe gibt, tiefgehende und verschwurbelte Sachen zu schreiben. Deswegen gerät alles affektiert und vernachlässigbar. Ein paar halbherzige Aphorismen, Binsenweisheiten, Alltagsbetrachtungen. Es bleibt beim Grübeln, Conclusio gibt es keine, dafür ein Ende.

Vierzehn Songs später kommen die Stimmen zurück. "Balbina dachte nach über das Grübeln, und so klang das", tun sie kund. Man freut sich, dass das Grübeln ein Ende hat, besonders viel weiter ist man damit heute nämlich wirklich nicht gekommen. Man sollte überhaupt weniger nachdenken.

Trackliste

  1. 1. Über
  2. 2. Blumentopf
  3. 3. Das Ist, Die Zeit Ist Ein Eogist
  4. 4. Oropax
  5. 5. Nichtstun
  6. 6. Goldfisch
  7. 7. Hut Ab!
  8. 8. Mir Fällt Nix Ein
  9. 9. Tisch
  10. 10. Kuckuck
  11. 11. Wecker
  12. 12. Langsamer Langsamer
  13. 13. Dicke Luft
  14. 14. Das Grübeln

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