laut.de-Kritik
Die Rückkehr der untoten Japaner!
Review von Mathias MöllerIn Japan sind sie seit langem Superstars, hier in Europa, wo man die Schrulligkeiten der kleinen Leute aus dem Land der aufgehenden Sonne gerne mal belächelt, hat es für Balzac zu größerem Ruhm noch nicht gereicht. Vielleicht, weil sie sich strikt weigern, dem stereotypen Bild vom Japaner zu entsprechen. Vielleicht aber auch, weil sie wirklich derbe sind. Das stellen sie mit "Came Out Of The Grave" wieder mal unter Beweis.
Zeigt sich auf der Cover der Meuchelmörder mit Papiertüte über dem Kopf, so beginnt der audible Horrortrip mindestens genauso beeindruckend. Fast zwei Minuten düstere Stimmung, hilfloses Schreien verlorener Jungfrauen, Totenglocken läuten. Friedhofsstimmung. Und dann von null auf nix in die Vollen. Balzac legen los, als ob es kein Morgen gäbe. Gibt es in ihrer Welt wahrscheinlich auch nicht. Takayuki bearbeitet seine Bude mit mindestens drei Armen mitteleuropäischer Länge, und Hirosuke kreischt, grunzt und kotzt gegen Atsushis Axt an, als würde der ihn würgen wollen. Live überstehen die das sicher keine fünf Minuten.
Mit "Season Of The Dead", thematisch passt der Titel wie die Faust aufs Auge, wird's fast melodisch, wenn auch nicht langsamer. Mit Vollgas durch die Geisterbahn. Ich glaube, sie singen tatsächlich englisch, allerdings hinterlassen Gesangsstil und Aussprache geringe Unsicherheiten. Kein Wunder, Interviews gibt die Band ja auch nur mit Übersetzer. Mit fortschreitender Spielzeit wird die Platte immer hörbarer, "Inside My Eyes" rockt flott los, als handele es sich hier um eine (fast) normale amerikanische Punkband. Nicht nur vom Auftreten erinnern Balzac an die Misfits.
Kaum meint man, das Böse sei überstanden, kommt es "Shi Wo Yubi Sasu" kreischend zurück, um uns alle zu holen. Auffallend ist, immer wenn englisch gesungen wird, kommt mehr Melodie zum Tragen. "The Pain Is All Around" klingt gar nicht schmerzhaft, sondern fast schon harmlos. Für Punk-Puristen mit fünf Minuten sicher auch viel zu lang. Tatsächlich scheinen sie sich manchmal ein wenig aufzuhalten. Allerdings tut das der guten Unterhaltung keinen Abbruch. Lediglich das ewige "Oooh Ooooh Oooh" geht irgendwann auf die Nerven.
Leider gibt es weiter keine Ausreißer nach oben auf "Came Out Of The Grave". Lediglich während dem nervösen "Beyond Evil 308" und dem wild thrashenden "The Pain Is Not Around" flackert noch einmal auf, zu welch fies-noisigen Soundgewittern Balzac fähig sind. Zu solcher Musik passt ihr Skelett-Bühnen-Outfit wesentlich besser als zum restlichen Mitgröhl-Punk. Die Stimmung des Albums leidet ein wenig darunter, dass sich Balzac nicht eindeutig zwischen Horrorpunk und der bierseligen Variante entscheiden.
Nach dem horrend langen "I Know" als Schlusspunkt gibt es (für Fans sicher interessante) fünf Live-Tracks, die Lust auf Balzac live machen. Wenn die so eine Show abziehen, wie auf dem Album, scheint im Juni eine höchst amüsante Tour ins Haus zu stehen. Und bloß nicht die Kreuze zur Abwehr der Untoten vergessen!
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