laut.de-Kritik
Kölner Urgesteine in neuer Formation.
Review von Joachim GaugerDieser Niedecken ist auch so ein Stehaufmännchen. Seit Jahren leiden seine Bap unter künstlerischem Aderlass. War der 'Major' noch im Frieden geschieden, verlief die Trennung von Multi-Instrumentalist Jens Streifling zuletzt weniger freundlich. "Stinksauer" sei er, rief Niedecken dem Deserteur hinterher: er könne nicht verstehen, warum man so "sein Talent verschleudert". Streifling hatte seine Karriere bei Bap zugunsten einer Kölner Karnevals-Kapelle aufgegeben.
Nachdem Wolfgang Niedecken auch die langjährige Background-Sängerin und Percussionistin Sheryl Hackett zugunsten des neuen, rockigeren Klangs gefeuert hat, bleibt er nunmehr als einziges Ur-Mitglied von Bap zurück. Sein wichtigster neuer Mitstreiter ist Gitarrist Helmut Krumminga, der seinerzeit Klaus 'Major' Heuser ersetzt und schon für's vorletzte Album den Titelsong "Aff Un Zo" geschrieben hatte.
Entstaubt und abgespeckt kommt der Sounds also jetzt rüber; im Angesicht des "The"-Band Hypes ist die Gitarre/Bass/Drums-Besetzung ja durchaus zeitgemäß. Im hymnenartigen Opener "Wie, Wo Un Wann" noch von Keyboardflächen unterstützt, setzen Niedecken und seine neuen Bap im zweiten Songs "Jedenfalls Vermess" ganz auf raue Gitarrenriffs und Vier-Viertel-Takt.
In der Folge wechseln sich bessere und schwächere Tracks ab. "Rövver nach Tanger" lebt von eindrucksvollem Bass und Choralgesang im gelungenen Refrain, die Songwriter-Schmonzette "Maria" dagegen nervt mit hüftsteifem Rhythmus und jaulendem und sich doch bald schrecklich banal wiederholenden Gitarrengewichse.
"Ich Wünsch Mir, Do Wöhrs He" fällt mit seinem synkopierten Rhythmus etwas aus dem Rahmen, bevor "Wann Immer Du Nit Wiggerweiss" und "Et Ess Vorbei" mit eingängigen Melodien und charmanten Dur/Moll-Wechseln wieder voll und ganz auf der Rockschiene fahren. "Et Es Vorbei" ist übrigens das letzte Stück, das Streifling noch für Bap geschrieben hat, und spätestens da bemerkt der Hörer, dass sich so viel eben doch nicht geändert hat.
Schon immer waren Bap eben auf Wolfgang Niedecken und das Markenzeichen seiner kratzigen Stimme ausgerichtet. Zudem ist der Sänger nach wie vor auch ein intelligenter und einfühlsamer Texter, dessen ambitionierte und engagierte Texte nie ins Gutmenschentum abdriften. Die aktuelle Scheibe verspricht neben einigen Durchhängern wieder den einen oder anderen Ohrwurm - auch wenn sie vielleicht nicht unbedingt den Zugang zu einem ganz neuen Publikum öffnen, werden die behutsamen stilistischen Veränderungen wenigstens die alten Bap-Fans kaum stören.
Wenig überzeugend allerdings sind die beiden Stücke geraten, die der Bap-Chef erstmals selber komponiert hat. Das bereits erwähnte "Maria" beweist so deutlich wie der Stones-Klon "Absolut Ziellos", dass dem Niedecken eine Zukunft als Komponist eigener Songs wohl auf ewig versperrt bleiben wird. Trotzdem: Respekt vor der Leistung des Kölner Urgesteins.
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