laut.de-Kritik
Das Besondere zum Gewöhnlichen degradiert.
Review von Dominik KautzMit ihrem Debüt "Litourgiya" erspielte sich die polnische Band Batushka anno 2015 aus dem völligen Nichts kommend den Status als Geheimtipp der Black Metal-Szene. Mit einem atmosphärischen Mix aus rohem, ungeschliffenen Black Metal, Doom Metal-Elementen, sakralen Chören, omnipräsentem religiösem Mystizismus und zahlreichen Verweisen auf die Liturgie der östlichen katholisch-orthodoxen Kirche inszenierten sie ihren ganz eigenen und direkt ins Mark treffenden Synkretismus. Dass die Texte ausschließlich auf Altkirchenslawisch alternierend mit priesterhaft anmutender Rezitation und dem genretypischen gutturalem Gesang vorgetragen werden, komplettiert das Bild nur. Die Anonymisierung der Identitäten der Drahtzieher um Batushka und ihre ritualartigen Konzerte tragen ebenfalls zur Mythenbildung bei. Innerhalb kürzester Zeit spielt die Band auf den weltweit wichtigsten Metal-Festivals.
2018 offenbart ein Rechtsstreit um den Bandnamen, dass es sich bei den federführenden Köpfen hinter Batushka um Multiinstrumentalist und Hauptkomponist Krzysztof Drabikowski sowie um Sänger Bartlomiej Krysiuk handelt. Seither liefern sich die Musiker eine Schlammschlacht und beide veröffentlichen, zu ihrem eigenen Schisma verkommen, unter dem Synonym Batushka ihre aktuellen Platten. Drabikowski vertreibt seine aktuelle Platte "Panihida" seit Ende Mai als "das einzig wahre Batushka" in Eigenregie via Bandcamp. Krysiuk, rechtlicher Inhaber des Plattenvertrages, veröffentlicht die hier abgehandelte "offizielle" Platte "Hospodi" über Metal Blade Records.
"Hospodi" (eine altslawische Bezeichnung für Gott) knüpft in vielerlei Hinsicht an "Litourgiya" an und ist somit in erster Linie als fett produzierte Weiterentwicklung des bereits bekannten Soundgewands zu verstehen. Das thematische Gerüst von "Hospodi" erklärt Krysiuk in den Liner Notes: "Das Albumkonzept beruht auf der Totenmesse der Orthodoxen, Gebeten, Liedern und Bräuchen in Gedenken an Verstorbene. Im Mittelpunkt steht ein Ritual um die Toten und Trauernden. Darüber hinaus haben wir uns auf viele Volkslieder und Klagegesänge unserer Heimat berufen, wie sie Hinterbliebene während einer Totenwache am Sarg versammelt im Haus des Verblichenen singen."
Wie kaum anders zu erwarten, beginnt die Scheibe im Intro "Wozglas" mit sakralen und sehr eindringlichen Mönchsgesängen. Die dunkle Grundstimmung nimmt den Hörer gleich bei der Hand und bereitet ihn andachtsvoll auf das tönende Inferno vor, das direkt im Anschluss in "Dziewiatyj Czas" mit einer im Midtempo gehaltenen Doublebass und einem gellenden Schrei schonungslos über den Hörer hereinbricht. Gespickt mit hypnotischen Gitarrenriffs und dem betörenden von einem Chor darbegotenen "Halleluja" ziehen Krysiuks Batushka in diesem Song alle Register ihrer Kunst und schließen gekonnt die Brücke zum Debüt.
In die gleiche Kerbe schlägt das mit wildem Glockengeläut beginnende "Wieczernia", das innerhalb kürzester Zeit zu einem melodramatischen, sehr getragenen Reißer mutiert. Auch das treibende "Powieczerje" funktioniert bestens und geht beim Hören direkt ins Blut. Bei jedem dieser drei Tracks fällt allerdings, trotz ihrer Güte, sofort auf, dass das ehemals so besondere Element des Chores eher willkommenes Beiwerk denn definierendes Stilmittel ist.
Als offiziell gepriesener Nachfolger des bärenstarken Debüts muss sich die Platte natürlich mit "Litourgiya" messen, und man hört "Hospodi" klar an, dass der ehemalige Hauptsongwriter Drabikowski fehlt. Nach dem hervorragenden ersten Drittel der Platte präsentiert Krysiuks Version von Batushka zwar soliden, aber doch ziemlich generisch klingenden Black Metal, der stellenweise belanglos und sogar langweilig wirkt. "Utrenia" und "Szestoj Czas" verlieren sich in Monotonie und Ideenlosigkeit. Auch der finale Track "Liturgiya" knüpft, trotz der namentlichen Reminiszenz, qualitativ nicht an die Songs und die Stimmung des Debüts an.
Während man auf "Litourgiya" kompositorisch insgesamt sehr darauf bedacht war, eine Atmosphäre des Numinosen zu erschaffen, ist die Herangehensweise bei "Hospodi" vollständig auf das Konzept der Totenmesse bei jedem einzelnen Song ausgelegt. Das verhindert den Aufbau eines dramaturgischen Spannungsbogens und macht das Album zu einer in den entscheidenden Momenten nicht funktionierenden, zweischneidigen Angelegenheit.
Somit bleibt ein irgendwie fader Beigeschmack haften, da das gewichtigste Problem von Batushka der Bandname ist (was im Übrigen für beide Versionen der Band gilt). Insgesamt liefert "Hospodi" nur mittelmäßigen Black Metal unter dem Deckmantel eines überaus erfolgreichen Namen, dessen Mythos seine Protagonisten selbst zu Grabe getragen haben.
1 Kommentar
"Панихида" ist halt sooooooooo viel geiler