laut.de-Kritik

Die Crossover-Platte des legendären Hip Hop-Trios.

Review von

Sollte es das 'schwere dritte Album' tatsächlich geben - es stellte keine Bürde dar. Im Gegenteil: Die Beastie Boys hatten sich mit der kommerziell gefloppten, dafür hoch gelobten Sampleorgie "Paul's Boutique" bereits von den Riesendildos in Richtung Conscious-Coolness verabschiedet.

Doch erst "Check Your Head" prägte die Alternativeszene nachhaltig. Auch deutsche Bands wie Die Fantastischen Vier waren beeindruckt (nachzuhören beispielsweise im Track "Schizophren"), die Beginner kopierten viele Jahre später das Plattencover.

"Check Your Head" hatte die drei Beasties 1992 zurück in die Charts geführt und schuf parallel die Blaupause für die kommenden 20 Jahre Liveshows: Bassist MCA, der mit dem tiefen Laid back-Organ, Drummer Mike D, dessen hellen Reime weiter oben angesiedelt sind, und Gitarrist Ad-Rock, mit viel Power und Aggression in der Stimme, hatten wieder überwiegend zu den Instrumenten gegriffen.

Der Dreiklang aus Three MCs and One DJ-Ding (etwa "Professor Booty"), hingerotztem Punkrock/Hardcore ("Time For Livin'") und funky Instrumental-Jam ("In 3's" oder "Groove Holmes") war geboren. Tracks wie "Stand Together", "Live At P.J.'s" oder "The Maestro" führen diese Tugenden in unterschiedlichen Dosen auch zusammen.

Der Drittling ist insofern - passend zur Zeit - die Crossover-Platte der Bandiskografie, wenn auch mit unüberhörbar starker Funkschlagseite und nach wie vor der Samplelogik verpflichtet: Die Beasties spielten live, sampleten sich dabei selbst und spielten dann wieder live zu ihren eigenen Schnipseln. Entsprechend körnig klingt die von Mario Caldato Jr. (der "Paul's Boutique"-Toningenieur) koproduzierte Platte: Man denkt durchweg an eine Liveband plus DJ und Keyboarder (namentlich Money Mark).

So gebaren die Beasties den Klassiker "So What'Cha Want", damals ein Aha-Erlebnis für Alternativefans: Man kann Hip Hop also mit Drums, verzerrtem Bass, jaulender Klampfe und ein paar lässigen Orgelchords spielen? Wie cool ist das denn! Gitarrenfetischisten brüllten in der Disko "So what'cha what'cha what'cha want?" mit und nickten zum krachenden Arrangement wie blöde mit dem Kopf.

Gleichwohl fällt die im Plattenkontext geradlinig dahinwalzende Nummer etwas aus dem Rahmen, vergleicht man sie mit weiteren Auskopplungen, der funky Bombe "Jimmy James" (basierend auf Jimi Hendrix-Samples) sowie dem Old School-Hip Hopper "Pass The Mic". Die Lyrics hatten die Boys übrigens gerade noch so vor Abgabeschluss zusammengeschustert.

Ein Ausdruck dessen, dass sie zu der Zeit in erster Linie mit ihrem Instrumentenpark beschäftigt waren: Nach ein, zwei Jahren stand zwar mehr oder weniger der Sound von "Check Your Head", Lyrics waren aber kaum zu Papier gebracht (nachzulesen im "Anthology"-Booklet). Ein Umstand, der im Hip Hop-Kontext fast schon wieder witzig anmutet.

MCA hatte damals zudem zum Buddhismus gefunden, ab und an sind auch fernöstliche Versatzstücke wie Tablas zu hören ("Finger Lickin' Good" oder "Lighten Up"). Viel wichtiger war allerdings eine seiner anderen Ideen: das Fuzzbassriff des rumpelnden Rockgroovers "Gratitude".

Die vierte Single demonstriert nicht nur den hohen Wiedererkennungswert des Sounds der New Yorker. Wenn man im Nachhinein so will, pflanzte MCA hier bereits den Samen für die nächste Explosion zwei Jahre später: "Sabotage".

In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.

Trackliste

  1. 1. Jimmy James
  2. 2. Funky Boss
  3. 3. Pass The Mic
  4. 4. Gratitude
  5. 5. Lighten Up
  6. 6. Finger Lickin' Good
  7. 7. So What'cha Want
  8. 8. The Biz Vs. The Nuge
  9. 9. Time For Livin'
  10. 10. Something's Got To Give
  11. 11. The Blue Nun
  12. 12. Stand Together
  13. 13. Pow
  14. 14. The Maestro
  15. 15. Groove Holmes
  16. 16. Live At P.J.'s
  17. 17. Mark On The Bus
  18. 18. Professor Booty
  19. 19. In 3's
  20. 20. Namasté

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Beastie Boys

Oh Gott, weiße Jungs produzieren Hip Hop. No Chance. So oder so ähnlich muss die Öffentlichkeit geurteilt haben, als die Beastie Boys im November 1986 …

9 Kommentare mit 2 Antworten