laut.de-Kritik
Der beste schlechte Trip aller Zeiten!
Review von Theresa LockerVielleicht ist das Großartige an Beck, dass er nie ganz greifbar ist. Wer dieser Beck Hansen wirklich ist und welche Kostüme er sich nur anzieht, bleibt seit über zehn Jahren völlig offen. Mühelos wechselte er zwischen Folk-Parodien, semi-coolem Hip Hop, Blues-Rock, Samplewut und weiß der Teufel was – und blieb dabei konstant wiedererkennbar, außergewöhnlich und fantastisch. Die einzige Konstante, die sich durch Becks Werk zog, war eine gewisse Collagenhaftigkeit und vor allem sein abgründiger Humor, der immer wieder aufblitzte.
Nach "Modern Guilt" darf man auch diese Gewissheit streichen – das neue Kostüm sieht vagabundenhaft aus und hat schulterlange Haare, hinter denen man sich verstecken kann. Nach schrulligen Witzchen und absurden Anekdoten, vorgetragen in gespielter Ernsthaftigkeit, muss man lange suchen.
Denn textlich ist das Album bleischwer geworden, manchmal gar apokalyptisch. Für Beck gibt es auf "Modern Guilt" nur schwarze Meere, die Menschen verschlingen, bodenlose Gruben, aus denen er sich herauskämpfen muss, einstürzende Wände, Feuer und Rauch, Angst, Beklemmung, Düsternis.
In starkem Kontrast dazu stehen die Galaxien aus Becks packenden 60s-Melodien und den umnebelten Effekten, die Danger Mouse dahinter fließen lässt. Die Zusammenarbeit mit der Hip Hop-lastigeren Hälfte von Gnarls Barkley – die sich ursprünglich auf den ersten Song "Orphans" beschränken sollte -, erweist sich als großartige Idee. Die beiden Musiker tauschen hier ihre ureigenen Herangehensweisen an psychedelische Rockmusik aus, und was dabei herauskommt, gehört zu dem Schillerndsten, was Beck je veröffentlicht hat.
Kiloweise melancholischer, bittersüßer Pet Sound, Anklänge an die Beatles und Strawberry Alarm Clock lauern unter der Oberfläche. Wer hatte spekuliert, dem Musiker könnten die Ideen ausgehen? Beck wälzt sich in regenbogenfarbener Psychedelik der 60er (übrigens auch optisch), lässt aber das debile Grinsen zuhause.
Denn die diesige Grundstimmung hält Beck noch lange nicht davon ab, seine Dystopien in knackige Garage-Rock-Souvenirs zu verpacken. Während der Gesang vielschichtiger und verschleierter als üblich daherkommt, treibt Danger Mouse die Stücke mit seinen reduziert gehaltenen, aber doch unendlich eingängigen Beats voran. Cat Power besorgt die gelegentlichen Hintergrundvocals, während Beck seine eigene Version von futuristischem Retrosound vorlegt, ohne ihn jemals zu überfrachten oder Kitsch und Klischee auch nur beiläufig zu streifen.
Vom odysseehaft dahinschwebenden "Chemtrails" über den cool-staubigen Titelsong und den Beat-Ohrwurm "Gamma Ray" bis hin zum resignierten "Volcano" zeichnet sich Herr Hansen - versteckt hinter Dunst und langen Haaren – auf gerade mal 33 Minuten immer wieder neu und nimmt uns mit: auf den besten schlechten Trip aller Zeiten.
7 Kommentare mit 7 Antworten
Gefällt leider nicht besonders, vor allem bei chemtrails musste ich mir anfangs fast die ohren zuhalten.
Ich finds großartig! Ist mein erstes Beck-Album und ich bin überaus angetan.
Is passend umschrieben. Mir gefällt der Review.
Habs mir auch selber reingezogen und hab festgestellt, dass da (Gott Sei Dank, wie immer) ein neuer Beck drinnesteckt.
@katzetausend vielleicht macht er aufn nächsten Album eine Stilrichtung die dir gefällt ^^
beck bringt seit vielen jahren regelmäßig interessante platten raus. doch auch bei der neuen will der funke nicht so recht überspringen. da ändert auch die zusammenarbeit mit danger mouse nichts.
immerhin, "gamma ray" & "replica" gefallen.
3/5
Mhm, trotz Scientology, ich muss sagen, der gute Herr beeindruckt mich mehr und mehr.
weiss nicht wo ich das sonst hinschreiben soll, aber kommt noch ne morning phase kritik?
ja. autor liegt leider krank im bett. deshalb die verzögerung.
ist das cover eine hommage an sea change?
den post haette ich mir sparen koennen. es ist eine verbindung zu sea change, aber ich bin skeptisch, dass an das album angeknuepft werden kann..
Och nö, echt jetzt?
Auf ein zweites Sea Change hab ich ja mal eher keinen rechten Bock.
Du meinst, darauf hast du keinen BECK!
Hahaha, bin ich heut wieder albern. Ohwie Marie.
fuer mich persoenlich ist sea change ja ein geniestreich, auch wenn ich--wie der erschaffer--nichts positives damit verbinde. das neue soll aber vom grundsatz her optimistisch sein, kannst es bei youtube schon hoeren wenn du willst.
Hab heute bei Bushidos Lieblingsdrogerie mal reingehorcht. Klingt grad zu Beginn tatsächlich etwas nach Sea Change in optimistisch. Also für mich nicht soo geil, ich mag seine verspielteren Seiten einfach lieber.
Richtig gut fand ich spontan Blue Moon und Turn Away, Albumkauf wird aber wohl noch ein bisschen nach hinten verschoben.