laut.de-Kritik
Fröhliche Ragga-Beats und mitreißende Vocals aus Hannover.
Review von Dani FrommDancehall aus deutschen Landen - das ist ja mittlerweile kein Grund mehr, um erstaunt vom Hocker zu kippen. Und warum sollten sie das nur im Dicken B oder in Köln gebacken kriegen? Benjie zeigt's allen: In Hannover können sie es auch. Zumindest, was Themenvielfalt und Wortwitz angeht. Benjie serviert auf seinem zweiten Album vom erfrischend sinnfreien Partytune bis zu nachdenklicher Weltverbesserungslyrik ein breites Spektrum.
"Hüftrock" verfolgt wirklich und wahrhaftig keinen anderen Zweck, als die Menge anzuheizen: "Party ruf ich aus, auch für den Miesepeter." Dieser wird es schwer haben, gegenüber dem fröhlichen Ragga-Beat und Benjies mitreißenden Vocals seine Griesgrämigkeit zu bewahren. Was will man auch ausrichten, gegen einen "Song, der so überhaupt nichts sagen will"? Ebenso inhaltslos, ebenso vergnüglich: "Mach's Laut!". Eine Aufforderung, der man gerne nachkommt. Schließlich gehört zu den ewigen Wahrheiten: "Der Bass muss drücken."
Da haben wir auch gleich den ersten und letzten Kritikpunkt: Die Beats. Schade, schade. Sogar sehr schade. So schwachbrüstig kann man in Zeiten, in denen Seeed gezeigt haben, wo der Dancehall-Hammer hängt, einfach nicht mehr daher kommen, will man in der ersten Liga mitspielen. Da drückt der Bass nicht, sondern schubst höchstens ein bisschen. Das geht inzwischen doch wirklich anders!
Eins kann ich sagen: Jeder einzelne der Tunes hätte ein fettes Fundament verdient. Benjies charakteristisches sonores Organ erinnert ein wenig an die Stimme D-Flames; was Vielseitigkeit und Wortspielereien betrifft, steckt Hannover Frankfurt hier allerdings locker in den Sack. Benjie singt sich durch "Unterwegs", dass es eine reine Freude ist. Mit "Du Und Ich" liefert er ein fröhliches, vollkommen unpeinliches Liebeslied.
Überhaupt sind Beziehungskisten ein großes Thema: "Sag Es Mir", jaja ... wie einfach wäre die Welt, wenn jeder seine Wünsche und Absichten verständlich artikulieren könnte! Der knarzige Bass kommt gut, könnte lediglich (wie bereits bemängelt) mehr Nachdruck vertragen. Für den Fall, dass soeben die Beziehung in die Hose gegangen sein sollte, empfiehlt die Kummerkastentante "Leben Ohne Dich", eine grandios aufrichtende Nummer: "Bringt ja nichts, ewig zu trauern. Doch es ist so schade, deshalb wird's ein bisschen dauern." In diesem Song steckt ausreichend positive Grundstimmung, um einem auch über das ganz große Tränenmeer zu helfen.
"Brett Vor'm Kopf" ist textlich ebenfalls hochgradig gelungen. Ein 'One World One Love'-Szenario zu entwerfen, ohne dabei in Gutmenschentum abzugleiten ... In diesem zudem wunderschön instrumentalisierten langsamen Titel zeigt sich große Erzählkunst. Knackige Statements gegen Materialismus ("Geld") und Arroganz ("Ihr Wollt Nicht Lernen") sind ebenso enthalten wie eine Bestandsaufnahme über den Zustand des deutschen Hip Hop: Für die Zeilen "Hip Hop ist mein Kumpel, und der fühlt sich grad nicht wohl, beklagt sich bei mir über innere Leere, fühlt sich irgendwie hohl" werde ich Benjie bei sich bietender Gelegenheit die Hände küssen, so viel ist sicher.
Inhaltlich überdurchschnittlich, witzig und abwechslungsreich: Mit interessanteren, machtvolleren Beats hätte aus "Unterwegs" ein echtes Juwel werden können.
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