laut.de-Kritik
Möglichst schütteln oder wenigstens nicht still halten.
Review von Oliver Lambrecht"Die Situation verlangt nach meinem Einsatz" heißt es im ersten Lied "Mein Einsatz" von Berend. Mit dieser Zeile befindet sich der Hörer schon mitten in den "Tagesthemen", dem zweiten Album der Band. In dem nehmen die vier Musiker Berend Intelmann, Carsten Diekmann, Christoph Schneider und Daniel Klingen den Zuhörer mit auf die Gratwanderung zwischen trister Belanglosigkeit und anmutiger Schönheit. Hin zu einem Alltag, mit dem es sich leben lässt und in dem man sich wohl fühlen kann. Berend Intelmann tritt sonst als eine Hälfte von Paula auf. Die Band Berend trägt nicht zu unrecht seinen Namen, zeichnet er doch für den Großteil der Lieder verantwortlich.
Ein kleiner Schwachpunkt mag vielleicht sein, dass nach dem ersten Durchhören die Qualität von "Tagesthemen" noch nicht richtig zur Geltung kommt. Auch wenn sich Titel wie "Unser Erster Gemeinsamer Feind" oder "Gegen Diese Gegend" schon beim Lesen als gute Aufhänger präsentieren. Sie schreien geradezu nach einem T-Shirt-Aufdruck. Analog zu den Beiträgen in den Nachrichten, liegt es auch hier am Hörer, sich in die Materie – das Album – weiter zu vertiefen. Für die Zielgruppe, an die sich Berend mit ihrem zweiten Werk richten, sollte dies allerdings nicht wirklich etwas Neues sein. Selbst nach mehrmaligen Durchlaufen der CD kann ein Freund der Musik noch viele kleine Details entdecken. Dazu bekommt er die sich allmähliche entfaltende Wirkung einer sympathisch unkomplizierten Wortwahl. Erst dann erreicht man den Punkt, an dem es kein schlechtes Lied mehr auf dem Album zu geben scheint.
Wie auch bei den jeweils letzten Werken von Tocotronic und den Beatsteaks, hatte Moses Schneider während der Produktion des Albums in seinem Berliner Mamasweed-Studio die Regler in der Hand. So kommt der Hörer auch bei Berend in den Genuss des gewissen Etwas, das man sonst nur von Live-Auftritten kennt. Besonders gut gelungen ist dies bei den schnelleren und direkteren Stücken wie "Unser Erster Gemeinsamer Feind" oder "Mein Einsatz".
Die rockigen Lieder appellieren ohne Umwege an den körpereigenen Bewegungsapparat, sich möglichst zu schütteln oder wenigstens nicht still zu halten. Bei den langsamen Stücken und gerade bei dem mehr als sechs Minuten langen "Land Meiner Träume" nimmt sich die Band Zeit Klangflächen zu erzeugen, in welchen man dann nach und nach zu versinken droht.
Für Leute, die eine Position gegen die Vernunft beziehen, gibt es als weitere Bestätigung nicht nur Tocotronic, sondern auch Berends Lied Nummer Acht: "Die Ängstlichen". Eine Ansage gegen Sie – die anderen. Drehen sich die meisten Texte des Albums eher um das eigene Befinden, grenzt die Band sich mitsamt den Fans in diesem Lied von den Vernünftigen ab.
Belanglos? Mitnichten. Zwischen den Zeilen ist sogar noch ausreichend Platz für eine unverschämt liebenswürdige Spur von Optimismus. Mit "Tagesthemen" gelingt Berend ein solides und schönes Stück Pop. Nach Paula hat Berend Intelmann seinen Standpunkt neu definiert. Hierfür musste nichts neu erfunden werden, bekanntermaßen reichen ein Schlagzeug, ein Bass und zwei Gitarren vollkommen aus.
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