laut.de-Kritik
Zwischen Hamburger Schule und lupenreinem Pop.
Review von Olaf SchmidtBernd Begemann kennt das Wort Stillstand nicht. Auf seinem letzten Doppelalbum fuhr der Liedermacher noch 28 Titel, eine Menge Gaststars und etliche Videos auf. 2018 schaltet er einen oder fünf Gänge zurück und veröffentlicht das minimalistische "Die Stadt Und Das Mädchen". Nur Bernds Stimme und die Klavierbegleitung seines Tastenmannes Kai Dorenkamp, dazu ausgewählte Stücke aus Begemanns Vergangenheit, das bietet seine neue Platte.
Hier liegt auch der mögliche Knackpunkt: Kein einziges dieser Lieder ist neu, alle wurden bereits in Bandfassungen veröffentlicht. Teilweise geht es bis zurück in die Zeiten von Begemanns erster Band Die Antwort. Der nach eigenen Angaben romantische Liederzyklus folgt gewissermaßen einem Konzept. Wie lebt es sich in einer Großstadt, was geschieht in ihr und wie verändert sie unser Leben? Begemanns Protagonistin bricht auf, geht weg, fühlt sich fremd und allein, fängt schließlich neu an.
Schon nach dem ersten Song wird klar: Neues Material fehlt hier überhaupt nicht. Die Arrangements von Kai Dorenkamp klingen so schön und ausschmückend, dass man glaubt, neue Lieder zu hören. Gleich "Weg Aus Dem Tal Und Nach München" eröffnet mit einem kunstvollen Vorspiel, bevor Begemann mit im Unterschied zum Original deutlich gereifter Stimme die Geschichte beginnt.
Das abgespeckte Gewand steht allen Liedern gut. Intimer, direkter, fokussierter wirken die Songs und bilden das Begemannsche Spektrum zwischen Hamburger Schule, schlageresken Anleihen und lupenreinem Pop in neuer Form ab. "Die Neuen Mädchen Sind Da" büßt seine im Video dargestellte Ironie ein, was aber nicht tragisch ins Gewicht fällt. Im Gegenteil.
Aus "Vielleicht Hatten Deine Eltern Recht" wird plötzlich eine bluesige Jazz-Nummer. Eine von Begemanns schönsten Textzeilen funktioniert immer noch: "Bud Spencer, Ahoi-Brause, Captain Future / sind Teil der lebendigen Stadtteilkultur." Der gleichnamige Song, ursprünglich auch schon zurückhaltend und intim, gewinnt hier nochmals.
Die reduzierte Instrumentierung und das virtuose Klavierspiel Kai Dorenkamps sorgen dafür, dass man noch gezielter zuhört und die Lieder nun direkter und purer wirken. Dieser Eindruck zieht sich durch das ganze Album, das mit 33 Minuten Lauflänge möglicherweise etwas unterversorgt ist.
Die Stimmung der Songs schwankt dabei zwischen fröhlich und sehr ernst. "Die Nacht Vor Der Abtreibung" entfaltet seine dunkle Nachdenklichkeit auch in der Piano-Version. Wenn dann schlussendlich die letzten Töne des Rausschmeißers "Sie Gehört Den Sternen" verklingen, drückt man gerne nochmal auf Play. Bernd Begemann und Kai Dorenkamp vollbringen das Kunststück, ein Album mit alten Liedern neu klingen zu lassen.
1 Kommentar mit 2 Antworten
Das Cover kommt mir doch irgendwie bekannt .... https://images-na.ssl-images-amazon.com/im…
ah. ich rieche besessenheit.