laut.de-Kritik

Aller guten Dinge sind vier.

Review von

"'M.a.d.U. 4' kommt ... nach knapp 4 Jahren geht es weiter ... Dieser Bizzy ist wieder Bizzy!" So kündigte Bizzy Montana Anfang August via Facebook sein neues Album an. Der erste Gedanke: Dafuq?

2009 hieß es, die Trilogie sei, wie der Name schon sagt, mit dem dritten Teil beendet. Bushidos Label Ersguterjunge verlängerte die Verträge nicht und die folgenden Releases "Ein Hauch von Gift" und "Gift" deuteten eine neue Dreierreihe an. Aber Bizzy hat andere Pläne: Inzwischen seit gut zwei Jahren bei Vegas Freunden von Niemand zu Hause, knüpft er mit dem vierten Teil der "Mukke Aus Der Unterschicht" an ein völlig anderes, mehrere Jahre zurückliegendes Kapitel an.

Warum? "Ich hatte einfach dieses Feeling wieder: Kopf frei und abschalten, nur auf dem Beat sein. Über Dinge schreiben, die mich beschäftigen. Das Album ist wieder komplett real und einfach Bizzy", verrät uns der Freiburger im Interview. Auch im beatgewaltigen "Intro" geht er auf seine Beweggründe ein: "Ich bin vor dem letzten Sprung umgeknickt / Nun zurück zur Wurzel, das ist Humpeln-aus-dem-Bunker-Shit / Der Junge ist noch immer der, der unterm Strich hungrig ist / Junge, das ist ich, das ist Mukke aus der Unterschicht."

Dass es sich bei der Rückbesinnung nicht um einen Rückschritt handelt, sondern er ein "Onewayticket" nach vorne besitzt, beweist Bizzy mit aggressivem, hungrigem Flow und stabilen Reimen, die kaum einen Zweifel an ihrer Echtheit lassen. "Altes Spiel, neues Glück" – wer ihn nach dem schwachen "Hauch Von Gift" abgeschrieben hatte, sollte seine Meinung überdenken. Obwohl es bei "Reboot" erstmals stockt: Der Track wirkt nicht nur in der Hook eher hölzern und schwerer als notwendig. Ausgerechnet den koppelte Bizzy als erste Single aus. Dabei hat "M.a.d.U. 4" viel mehr zu bieten.

"Is Nich" beispielsweise klingt ungemein entspannt und präsentiert sich als Absage an die Medien und, genau wie "Theater", die gesamte Rap-Szene. Die ignoriert der 31-Jährige gekonnt, weil ihn "der Dreck nicht interessiert." An seiner Aufrichtigkeit zweifeln? Is' ebenfalls nich'. Kaum etwas wirkt hier übertrieben oder gar aufgesetzt. "Meine Seele auf CD", eben. Sollte es mit der Rap-Krone wieder nichts werden, bleibt ja immer noch der "Sixpack". Hier geht es allerdings nicht um aufgepumpte Muskeln, sondern um die Flucht aus dem anstrengenden Alltag mithilfe des einen oder anderen Glases Bier.

Anstrengend für den Hörer gestaltet sich lediglich der Beat, der sich anfühlt wie ein nerviger Tinnitus. Zum Glück ein einmaliger Ausrutscher, denn das Klangbild von "M.a.d.U. 4" ertönt ansonsten harmonisch, stellenweise melancholisch, aber immer mit dominanten Drums, die zum Kopfnicken einladen. Für die zeichnet zur Hälfte der Protagonist selbst verantwortlich, die andere stammt unter anderem von Freshmaker, Reflectionz und Freunde von Niemand-Hausproduzent Johnny Pepp.

Letzterer steht nicht nur hinter den Reglern, sondern steuert auf "Balla Balla" einen Rap-Part bei. Blöderweise lässt der Track genau das vermissen, was den Longplayer insgesamt auszeichnet. Statt Realness herrscht hier belanglose Party-Attitüde: "Wenn ich baller', dann ballerts, baller' mich weg und ich baller' auf alles." Kollege Timeless lässt auf "Egal Pt. III" zwar eine hörenswerte Doubletime-Passage vom Stapel, doch nur Featuregast Bosca erweist sich als Glücksgriff: Der Wiesbadener haucht "Endstation" eine ordentliche Portion hessischen Kampfgeist ein.

Kampfgeist benötigt es auch im Kampf gegen den morgendlichen Kater. Den beschreibt Bizzy in "Fernbedienung" derart anschaulich, dass man seine Schnapsfahne förmlich riechen kann. Jeder, der schon einmal die Folgen eines exzessiven Rauschs am eigenen Leib erfahren durfte, kennt die Symptome. Doch Mister Montana weiß Rat: "Kaffee, Kippe, Kacken, bisschen Katzenwäsche" und "Ibuprofen gegen die Schmerzen fressen". Betreibt da jemand Schleichwerbung?

Für sich selbst macht Bizzy jedenfalls höchst wirksame Reklame: In "Sein Wie Ich" zeichnet er ein anschauliches Porträt seiner Persönlichkeit. Respektvoll, aber nicht anbiedernd, immer im Kampf mit sich selbst und/oder dem Gesetz, unbeugsam und ab und zu einen tiefen Blick ins Glas werfend: Sicher kein unkomplizierter Zeitgenosse, aber einer, der immer seine Meinung sagt. Und manchmal gerne "Einfach Weg" möchte. Wer singt eigentlich den Refrain? Der Blick auf die Tracklist verrät – nichts. Zuverlässige Quellen versichern, dass es sich um Bizzys Frau handelt. Das Paar scheint nicht nur privat zu harmonieren.

"Lieber bleib' ich broke, als dass mein Album keine Seele hat", rappt Bizzy Montana auf dem "Ende Einer Reise". Seele? Check. Von der Vergangenheit gezeichnet und nicht immer mit Glück gesegnet, scheint er endlich seinen Platz im Leben gefunden zu haben. "Man sagt, man sollte aufhören, wenns am schönsten ist / Und deshalb geht sie jetzt, die Stimme, die schon immer für den ungekrönten Pöbel spricht", lässt er im "Outro" verlauten. Ein würdiger Abschied.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Onewayticket
  3. 3. Reboot
  4. 4. Is Nich
  5. 5. Sixpack
  6. 6. Zu Lange
  7. 7. Endstation ft. Bosca
  8. 8. Fernbedienung
  9. 9. Sein Wie Ich
  10. 10. Einfach Weg
  11. 11. Balla Balla ft. Johnny Pepp
  12. 12. Egal Part III ft. Timeless
  13. 13. Theater
  14. 14. Ende Einer Reise
  15. 15. Outro

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