laut.de-Kritik

Konditionell fitter als mit 50, doch Ozzys Blick klebt am Teleprompter.

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Nicht nur das Eisen, auch der Heavy Metal will geschmiedet werden, so lange er noch heiß ist. Und so schicken Black Sabbath knapp ein halbes Jahr nach Veröffentlichung ihres Quasi-Comeback-Albums "13" schon die Live-DVD der Tour nach. Dabei läuft diese noch bis mindestens Mitte 2014, wenn denn die Gesundheit den ergrauten Herren erhalten bleibt.

Doch für Schwarzmalerei ist hier kein Platz. Die weite Reise nach Melbourne haben Ozzy Osbourne, Tony Iommi und Geezer Butler jedenfalls schadlos überstanden, wie der Konzert-Opener "War Pigs" beweist. Riffmeister Iommi spielt die Nummer seit Jahrzehnten mit unverschämter Coolness runter, daran können auch Krebsdiagnose und Chemo nichts ändern. Selbst der soeben 65 Jahre alt gewordene Wackelkandidat Ozzy schlägt sich am Mikro wacker. Die Nummer ist ein erprobter Selbstläufer.

Überhaupt, die Setlist von "Live ... Gathered In Their Masses" zeigt: Black Sabbath wissen, was die Fans von drei Vierteln der Urbesetzung hören wollen (am Schlagzeug sitzt der 33-jährige Tommy Clufetos aus Ozzys Soloband). Die Tour baut vor allem auf die Hymnen der ersten vier Alben, die nicht umsonst tief ins Gehör aller Rock- und Metalfans eingraviert sind. Oder gibt es noch jemanden, der "Iron Man", "Behind The Wall Of Sleep" oder "Snowblind" nicht kennt?

Den alten Großtaten stellen Sabbath vier Songs von "13" gegenüber – was zum einen für die Güteklasse der neuen Stücke spricht, zum anderen aber good ol' Ozzy auch vor Schwierigkeiten stellt. Dem "Madman" machen live ja schon länger textliche und/oder gesangliche Probleme zu schaffen. Wie er sich durch "Loner" kämpft, ist kaum mit anzusehen: Ängstlich klammert sich Osbourne am Mikrofonständer fest, den Blick fest auf den Teleprompter am Boden gerichtet. So nuschelt er sich mehr schlecht als recht durch die Strophen. Wohl Ozzy zuliebe wurde "Loner" danach aus dem Repertoire gekippt.

Auch an anderer Stelle patzt Osbourne – vertut sich mal im Timing, mal schrammt er an der Tonlage vorbei (kurz in "Children Of The Grave"). Doch das sei ihm verziehen: Allermeistens ist er gesanglich auf der Höhe. Dazu gibt er einen echten Frontmann, klatscht, turnt und hüpft, wirft sich vor dem Publikum auf die Knie und lässt die ersten Reihen immer wieder seine Wassereimer zukommen. Er sei konditionell fitter als mit 50, sagte Ozzy jüngst, und tatsächlich wirkt er selbst nach der obligaten Zugabe "Paranoid" nicht sonderlich außer Atem.

Wie gewohnt ohne Showeinlagen zocken sich Iommi an der Gitarre und Butler am Bass durch tonnenweise Riffs und Soli – das ist meisterlich. Iommi merkt man trotz seines Pokerfaces an, wie sehr er die Tour mit seinen alten Weggefährten nach all den gesundheitlichen Strapazen genießt: Beim Anfangsriff von "Into The Void" etwa schreitet er sichtlich stolz auf die Bühne, bei "Fairies Wear Boots" lässt er sich sogar zu Devil's Horns hinreißen – nur kurz, aber für den 'Iron Man' kommt das trotzdem einem eigentlichen Gefühlsausbruch gleich.

Es ist eine Freude zu sehen, wie das Zusammenspiel zwischen Butler, Iommi und Osbourne noch immer funktioniert. Die Interaktion zwischen den Dreien ist zwar, auch wegen Ozzys Teleprompter-Problem, eingeschränkt. Aber dafür gibt sich die Kamera Mühe, jeden kurzen Blickwechsel einzufangen. Und wenn diese drei lebenden Legenden zusammen das beklemmende "Black Sabbath" anstimmen, bleiben ohnehin keine Fragen mehr offen: Das klingt so intensiv wie bei niemand anderem – da sträuben sich mit Garantie die Nackenhaare.

Die neuen Songs, allen voran die heavy drückenden "End Of The Beginning" und "God Is Dead?", brauchen sich ebenfalls nicht zu verstecken. Einziger Kritikpunkt an der Setlist ist das Schlagzeugsolo, das Clufetos nach gut einer Stunde eingeräumt wird. Über den theatralischen Spielstil des Detroiters kann man ja noch streiten, doch das Solo hat eindeutig Überlänge. Wahrscheinlich brauchten die drei Oldies einfach Zeit, sich einen schönen Tee aufzubrühen. Ansonsten aber muss man zugeben, dass Clufetos dem Sound gehörig Wumms und Drive einpeitscht. Wer weiß, ob Original-Drummer Bill Ward das noch so hingekriegt hätte ...

Über die Qualität von Bild und Klang kann man generell nicht motzen: Selbst auf einer eher schwachbrüstigen Heimkino-Anlage ist die Musik druckvoll. Band gut, Qualität gut, alles gut? Fast: Wer das Sabbath-Jahr mit dem Kauf von "Live ... Gathered In Their Masses" krönen möchte, sollte unbedingt zur Deluxe- oder Limited-Edition greifen. Die Standard-Version kommt nämlich ohne jedes Bonusmaterial daher.

Eine kurze Videomontage zeigt, wie Osbourne, Iommi und Butler in Melbourne ankommen. Dazu ein paar Bilder des Bühnenaufbaus und von Metalheads aller Altersklassen, die in die Rod Laver Arena pilgern. Nach zwei Minuten ist diese Einführung schon vorbei. Da wäre mehr drin gewesen. Man hätte es ja nicht machen müssen wie bei der 1999er-DVD "The Last Supper" und die Interviewsequenzen unsinnigerweise zwischen die einzelnen Songs pflanzen.

Trackliste

  1. 1. War Pigs
  2. 2. Into The Void
  3. 3. Loner
  4. 4. Snowblind
  5. 5. Black Sabbath
  6. 6. Behind The Wall Of Sleep
  7. 7. N.I.B.
  8. 8. Methademic
  9. 9. Fairies Wear Boots
  10. 10. Symptom Of The Universe
  11. 11. Iron Man
  12. 12. End Of The Beginning
  13. 13. Children Of The Grave
  14. 14. God Is Dead?
  15. 15. Sabbath Bloody Sabbath (Intro)/Paranoid

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12 Kommentare mit 60 Antworten

  • Vor 11 Jahren

    Haha ich hab mich beim lesen de Rezi schon gewundert, warum in Dortmund nur 3 Lieder vom neuen Album gespielt wurden. Also was dieses Konzi anging war ich positiv überrascht von Ozzys Auftritt. Er war für seine Verhältnisse sehr fit und versteht es immernoch die Menge zu unterhalten. Die Liederwahl war sehr gut und großartige Patzer konnte ich eigentlich nicht ausmachem. Von mir 5 Sterne.

    • Vor 11 Jahren

      Seh ich ganz genau so; der Auftritt in Dortmund war perfekt gespielt, gesungen, gefeiert - nochmals deutlich besser als auf der DVD, kurz: der Hammer.

      Und: Aufgrund von eher schwachen Auftritten zu Tourbeginn, die ich mir bei youtube angeschaut hatte, war ich mit sehr geringen Erwartungen zum Konzert gegangen.

      Mit zunehmender Tourdauer werden sie offensichtlich immer besser. Von 'Rockopas' oder 'Altersheim' gab es keine Spur - auch nicht im Publikum, wo sich Fans von 6 bis 66 tummelten, der Altersschnitt aber irgedwo um die 35 lag! Und man merkte den Herren deutlich an, wie viel Spaß sie hatten. Respekt!

  • Vor 11 Jahren

    Ach und die Kritik an dem Drumsolo kann ich nicht verstehen. Ok vielleicht liegt es auch daran, dass es, nach all den Konzerten die ich mittlerweile erlebt habe mein erstes Schlagzeugsolo überhaupt war aber ich war schwer begeistert.

  • Vor 11 Jahren

    Hat sich der Postillon in "laut.de" umbenannt, oder warum machen sich hier manche über f***ing Black Sabbath lustig?

  • Vor 11 Jahren

    Kann's auch nicht so ganz nachvollziehen. Gerade auch die "13" war für eine Band, die es schon so lange gibt und deren Mitglieder einen derartigen Zustand haben, wirklich richtig gut! Klar bedienen sie sich mittlerweile bei sich selbst, aber gerade "God is dead?" ist einfach eine Mega-Nummer.

    DVD ist ebenfalls gelungen. Macht Spaß, die noch erleben zu dürfen, wenngleich mir das Teleprompterablesen auch sofort ins Auge gesprungen ist. Trotzdem: Respekt vor Ozzy & Sabbath. Alleine so Sätze wie: "Die letzte Platte, die wir zusammen aufgenommen haben? Das war vor 30(!) Jahren", entlocken doch Gänsehaut.

  • Vor 11 Jahren

    Gute Musik, solide Vorstellung. Aber irgendwie ein langweiliges Konzert, ich weiß auch ned.