laut.de-Kritik
Ausgewogene Mischung aus Rock- und Poptunes.
Review von Michael SchuhSo richtig nötig ist ein neuer Blondie-Longplayer ja ehrlich gesagt nicht, und dass Debbie Harry auch mit Ende 50 noch singen kann, wissen wir seit dem '99er Comeback-Album "No Exit". Einen Ausgang gab es für die Old New Waves aus New York dann aber doch, noch dazu einen recht glücklichen: Die Single "Maria" stürmte in stolzen 14 Ländern an die Chartspitze und schaukelte die Band ins trunkene Erfolgsfeeling alter "Heart Of Glass"-Tage zurück.
Den Umstand, dass der Hit eher die Blondie-Tradition eingängig-fader Radio-Ohrwürmer wie "The Tide Is High" fortsetzte, mal beiseite gelassen, dominierte vor allem der Eindruck, hier tue eine Band kaum mehr als nötig, um dem Verlangen des Volkes nach einfach gestrickten Poprock-Nummern nachzukommen. Als hätte dies auch Berufsblondie Debbie erkannt, gibt es nun eine Kehrtwende zurück zur Coolness, die mit ihrem Auftritt als Telefonsex-Lesbe in Jonas Akerlunds Speed-Spektakel "Spun" begann und mit dessen Verpflichtung als Clip-Regisseur für die neue Blondie-Single "Good Boys" vorläufig endet.
Schließlich beschwört der ausgerechnet vom alten Disco-Kumpel Giorgio Moroder gemixte Song in seiner synthetischen Retro-Attitüde und Harrys juvenil federnden Vocals auch noch alte Heldentaten ("Atomic", "Call Me") herauf, die man der Band kaum mehr zugetraut hat. Auch das ungewöhnlich hart rockende "Shakedown" ist alles andere als "pretty much of a standstill", wie die einführenden Worte einer männlichen Ansagestimme prophezeien.
Madonnas Style-Vorbild rekapituliert die Jugenderinnerungen als Adoptivkind im Garden State New Jersey und reanimiert verschollene Rap-Künste, zu denen Miss Ciccone ebenso aufschauen kann. Wenn die 57-jährige Harry dann noch lasziv "why don't you put it in?" flüstert, klingt die Marilyn Monroe des New Waves verruchter als die Pop-Göttin zu "Erotica"-Zeiten.
Ziemlich genau bis zur Albumhälfte zeigen Blondie, was sie sich vor Jahrzehnten im CBGB's hart erarbeitet haben: ein sicheres Gespür für Melodien und eine ausgewogene Mischung aus Rock- und Poptunes: "Undone" und "Golden Rod" bestechen mit infektiösen, unpeinlichen Melodien, die Balladen "Rules For Living" und "Background Melody (The Only One)" legen an Süßstoff noch etwas zu.
Ab dem choralen, Sinead O'Connoresken "Magic (Asadoya Yunta)" wirds plötzlich "Maria"-mäßig belanglos, wozu leider auch die öde Hommage an Joey Ramone ("The Tingler") zu zählen ist. Dass Debbie in "Diamond Bridge" stellenweise an das heisere Timbre von Marianne Faithfull heran reicht, kann nicht darüber hinweg täuschen, dass Blondies Pop-Potenzial auf "The Curse Of Blondie" nach der Hälfte versiegt. Nun, es gibt schlimmere Flüche.
Noch keine Kommentare