laut.de-Kritik

Temposongs mit angepissten Beschwerde-Hooklines.

Review von

Feierte das Debüt "Box of Secrets" 2008 schon recht ordentlich die Rohheit des Grunge mit zehn Temposongs ab, störte es doch zuweilen den Fluss mit zu vielen Wiederholungen kleiner, guter Einfälle und überstrapazierten Refrains. Zwei Jahre später, mit weniger Anlaufzeit und massig Live-Probeläufen bedacht, liegt der Nachfolger "Fire Like This" vor. "Feuer wie das? So ein Feuer? In dieser Weise feuern?"

Zur Interpretation eines Albumtitels wird unvermeidlich irgendein bedeutungsschwangerer Quatsch geliefert (hier ist es angeblich eine Verbindung zu David Lynchs "Twin Peaks"-Prequel "Fire Walk With Me" - geschenkt!), aber dafür hat Gitarristin/Sängerin Laura-Mary auch diesmal in bester DIY-Manier ein schönes Bild vorne draufgemalt.

Als "two punk kids", die den Grunge auf die Tanzfläche bringen wollen, sieht sich das Duo aus Brighton noch immer. Eine Aufgabe, die sie streberhaft gut gelöst haben.

Einmal mehr muss man staunen über die außerordentliche Dichte und den wohltuend schnörkellosen Lärm, mit dem diese zwei zarten Menschen auch weiterhin jeden Bassisten arbeitslos machen. Sie beweisen, dass es nicht mehr als eine wendige Kernfamilie aus zwei Stimmen und zwei Instrumenten braucht, um aus minimalistischen Mitteln viel Sound anzuhäufen, der drängend, groß und direkt klingt und doch elegant vom Ohr in die Beine wandert.

Verlässliche Koordinaten sind wie gehabt die abwechselnden Gesangsparts, die sich Laura-Mary und Steven wie Bälle zuspielen, der allgegenwärtige Spannungsbogen im Kräftespiel zwischen Laut und Leise und die textliche Auseinandersetzung mit der eigenen Unzufriedenheit in verschiedenen Facetten und Gefühlsmodi. Vom dringlichen, unmittelbaren "Light It Up" ("We're growing out of a life / it won't fit anyone") über den gnadenlosen Ohrwurm "Heartsink" ("Inch by inch we find we're never satisfied") bis hin zum fragilen "When We Wake" ("In the end is this all we can ask for?") - jeder einzelne Song hat irgendwo im Kern seine mehr oder weniger angepisste Beschwerde-Hookline.

Wären da nicht die viel zu gesunden, beinahe niedlichen Stimmen der alterslosen Zwei, man könnte das Album als stringentes Pöbelwerk passieren lassen. Laura-Mary Carter und Steve Ansell haben null Interesse daran, irgendwelche Räder neu zu erfinden, stattdessen haben sie sich auf ihre Kernkompentenzen besonnen und diese ausgebaut: Stevens Drumming ist akkurater und trickreicher, Laura-Marys Singstimme hat an Volumen gewonnen, beide sind zu besseren Songwritern gewachsen und lassen ihre eingängigen Stücke stilsicher enden, bevor sich die darin enthaltenen Ideen ausnudeln.

In ihrer britischen Garage – falls die überhaupt existiert – schrubbten sie jedenfalls ihren Sound ein paar Mal kräftig an der Wand entlang. Daher klingt das Album etwas düsterer, auch dichter und trotzdem immer noch so zugänglich wie die Hansons.

Dank den etwas betagteren musikalischen Referenzen verwundert es trotzdem nicht, dass sich die Expeditionen in andere stilistische Gewässer auch auf dem zweiten Album in arg umrissenen Grenzen halten – ein schüchternes Cello dann und wann, ein paar zurückgenommene Halbballaden ohne halsbrecherische Geschwindigkeit und als Dessert ein Siebenminüter, der sich selbst feiert und seine Wucht aus langgezogner Vielschichtigkeit bezieht, statt in drei Minuten heruntergejagt zu werden.

Besagtes "Colours Fade" kriecht vorwärts wie zäh fließende Lava und verdichtet und verflüssigt sich in einer Extraportion grimmer Atmosphäre. Wo das Tempo gedrosselt wird, wiegen die Songs schwerer und distanzierter; eine gewisse angenehme Unberechenbarkeit stellt sich ein und erklärt vielleicht auch, warum die Band den Hörer besorgt wissen lässt, dass der schöne Sound bitte nicht durch Laptopboxen zu drücken sei. Fast schon ein bisschen viel HiFi-Gewichse für eine Punkband, aber was soll's – sie haben schließlich Recht.

Trackliste

  1. 1. Don't Ask
  2. 2. Light It Up
  3. 3. It Is Happening
  4. 4. When We Wake
  5. 5. Keeping It Close
  6. 6. Count Me Out
  7. 7. Heartsink
  8. 8. Follow The Lines
  9. 9. One More Empty Chair
  10. 10. Colours Fade

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LAUT.DE-PORTRÄT Blood Red Shoes

Sie kommen zwar aus dem englischen Brighton, sind dort aber nicht aufgewachsen. Wo genau die beiden Mitglieder Laura-Mary Carter (Gesang und Gitarre) …

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