laut.de-Kritik
Mission Weltverbesserung: läuft.
Review von Dani Fromm"Religion" - Segen oder Fluch? Wann ist ein Ausländer ein "Guter Ausländer"? Wer hat das Sagen, bei den "Mainstream Media"? "Wieso Habt Ihr Nichts Getan?" Nicht gerade die ganz kleinen Fragen des Lebens, die Blumio umtreiben. Derlei Themen liefern, klar, höchst tauglichen Zunder, um Diskussionen zu entfachen.
Diskurs dürfte durchaus im Sinne des Erfinders gewesen sein. Der Brand hingegen, der kurzzeitig im Deutschrap-Sandkasten aufloderte, hat vermutlich auch den Urheber selbst überrascht, flogen seine Alben bisher doch oft unter dem Radar der allgemeinen Wahrnehmung. Unangemessen tief sogar, angesichts dessen, was Blumio eigentlich auf der Pfanne hat.
Immerhin - über "Blumiologie" sprach man. War der Tanz der beleidigten Leberwürste, den der Künstler mit seinem Rezensenten von rap.de aufs Parkett legte, am Ende also nichts weiter als eine kalkulierte Werbemaßnahme? Manch einem seiner Kollegen würde ich das ohne Weiteres unterstellen. Im Fall Blumio kommen einem derlei Gedanken allerdings vollkommen verquer vor. Zu persönlich getroffen wirkte er in seiner kaum geschickteren Reaktion auf Oliver Marquarts Plattenkritik, die mit einer wahrlich fragwürdigen Formulierung anhob: "Ich kann nicht behaupten, dass ich an Blumios neues Album 'Blumiologie' unvoreingenommen herangegangen bin."
Ja, Mensch, Kollege, dabei hattest du es noch leicht! Im Kreuzfeuer mehr oder weniger eloquent ausformulierter offener Briefe voller teils witziger, teils peinlicher Patzigkeiten und Zickereien konzentriert es sich nun vollends schlecht auf des Pudels eigentlichen Kern: Was ist den jetzt dran, an "Blumiologie"?
In erster Linie einmal die eingangs bereits erwähnten großen Fragestellungen. Blumio beschäftigt sich mit Glauben, mit Politik, mit den Medien, mit Vorurteilen und damit, wie sich all das auf die Gedankenwelt, die Meinungsbildung und letzten Endes auf die Handlungen der Menschen auswirkt. Dass das Raptrack-Format nicht gestattet, detailliert auf alle Schattierungen einzugehen, sondern zu stark vereinfachter Darstellung nötigt, liegt in der Natur der Sache.
Trotzdem hochinteressant, welch heftige Abwehrreaktionen allein das Bemühen, sich derart komplexen Themen zu nähern, auslöst. Klar darf man versuchen, Blumio einen Strick aus "kindlicher Naivität" zu drehen. Aber wie sähe die Alternative aus? Alles, das den dreieinhalb-Minuten-Rahmen sprengt, erst gar nicht ansprechen? Jungejunge, das würde das Themenangebot aber ganz schön ausdünnen.
Natürlich darf einem Blumios beständiges Moralisieren auf den Zeiger gehen. Wenn er sein gealtertes Ich im Jahr 2060 mit seinem eigenen Enkel konfrontiert, der penetrant wissen will, warum um alles in der Welt wir nichts dagegen unternommen haben, einigen wenigen die Macht über alle zu überlassen, dann strengt das ungeheuer an. Es wirkt in seiner völlig kompromisslosen Schonungslosigkeit auch wahnsinnig unangenehm, fanatisch beinahe.
Blumio, es lässt sich schwer anders ausdrücken, nervt zuweilen maßlos mit pathetischen, auf die Tränendrüsen drückenden Bildern. Seine Protagonisten bewegen sich in äußerst engen Grenzen, durchleben ihre Schicksale wie auf Schienen, auf unverrückbar scheinenden Bahnen, in die sie die (meist widrigen) Umstände zwingen.
Aber, hey: Blumio hat wenigstens Protagonisten! Er erzählt Geschichten, die diese Bezeichnung verdienen, mit Handlungen, Wandlungen und auch einmal einem unerwarteten Dreh. Die Charaktere in "Oh Lord" mögen einigermaßen klischeemäßig erscheinen. Wie Blumio zwei in Zwangsläufigkeiten gefangene Lebenswege miteinander verquickt: dennoch ziemlich clever.
Die Kernaussage aus "Guter Ausländer", "Wir müssen uns nicht verstellen, einfach nur wir selbst sein": vielleicht nicht besonders neu oder originell. Macht sie das weniger sinnvoll, weniger wahr, weniger erstrebenswert? Wer das tatsächlich glaubt, benutzt vermutlich auch "Gutmensch" als Schimpfwort. Als ob irgendetwas Schändliches daran wäre, ein guter Mensch zu sein. Jemandem, der wenigstens versucht, das Richtige zu tun, sollte man das hoch anrechnen, statt ihm vorzuwerfen, keine Patentlösung für sämtliche Probleme der Menschheit parat zu halten.
Blumio jedenfalls trachtet zweifellos und total unverblümt danach, für das Licht zu streiten, auch wenn das bedeutet, der übermächtigen dunklen Seite der Macht die Stirn bieten zu müssen. Er wirbt dafür, sich Gedanken zu machen, angebliche Wahrheiten zu hinterfragen, sich nicht von Oberflächlichkeiten blenden zu lassen, plädiert für Freundlich- und Menschlichkeit und, ganz nebenbei, für Freude am Leben und Spaß an der Sache. Inhaltlich kann dagegen doch eigentlich niemand etwas einzuwenden haben, der bei halbwegs klarem Verstand ist.
Anlass für Kritik bietet "Blumiologie" an ganz anderer Stellen. Ärgerlich vor allem, dass Blumio technisch betrachtet hinter seinen eigenen Rap- und Reim-Fähigkeiten weit zurückbleibt. So simpel gestrickte Endreime, einen über weite Strecken so eintönigen Vortrag: Das kann der doch besser. Mit dem Singen bin ich mir nicht ganz so sicher. Die eine oder andere gesungene Hook hätte er demzufolge meinetwegen auch stecken lassen können.
Den Vertreter der "Mainstream Media" permanent ein "Ist es nicht so, Herr Chefredakteur!?" ins Gesicht zu keifen, trägt sicher nicht zur Verbesserung des Gesprächsklimas bei. Wer "die Presse" verallgemeinernd der Lüge bezichtigt, laboriert zweifellos an der gleichen Graustufenblindheit, die er der Gegenseite unterstellt.
Dennoch: Seine politisch oder gesellschaftskritisch motivierten Tracks stehen Blumio, auch, wenn sie einem zuweilen sauer aufstoßen, um Welten besser als der Halligalli-Pop von "Eines Tages", ein total egaler Sunshine-Reggae wie "Ich Fahr' Auf Meinem Fahrrad" oder ein doch recht pubertär anmutendes Zwiegespräch mit dem besten Freund - auch wenn der Beat zu "Böser Penis" mit durch den Hintergrund mäanderndem Bass und schrägen Schifferklavier-Klängen herrlich angeschickert wirkt. Produzent Don Tone macht überhaupt einen durchwegs ordentlichen Job. Der richtige Vom-Hocker-Banger fehlt zwar, musikalische Totalausfälle dafür aber auch. Fairer Deal.
"Ich hab' den Spaß am Rap nicht verloren", beteuert Blumio in "Eines Tages", was er im überlangen Outro "Zurück Zu Meinem Ersten Text" gerne noch einmal doppelt unterstreicht. Bleibt zu hoffen, dass das Vergnügen am Wortsport bei der Mission Weltverbesserung und dem ganzen eisigen Gegenwind, der einem dabei um die Nase bläst, nicht doch noch irgendwann unter die Räder kommt. Wäre schade drum.
10 Kommentare mit 2 Antworten
Rappt der auch so schwul, wie sein Name es vermuten lässt?
Das Yellow Album hab ich gerne gehört. Don Tone ist ein guter Producer.
n paar tracks fand ich gar nicht schlecht aber wenn ich ehrlich bin, gefällt mir bei schlitzaugen-rappern "der asiate" (vbt, jbb) aka der gottverdammte reiskanzler besser
Unerträglich - diese Binsenweisheiten für grüne Teenager kann ich mir einfach nicht geben. Da sind mir sogar die ganzen Hurensohn-Rapper lieber, die haben teilweise wenigstens technisch noch was drauf.
Huhrensohnologie. Ein Glück, dass der Pächter von Moral und Weisheit versucht den Gebildeten zum x. Mal nix neues zu erzählen während die Ungebildeten schlau genug sind sich dieses gequälte Gesülze nicht anzutun (außer vielleicht "Lügenpr.." ääh "Mainstream Media").
"Er wirbt dafür, sich Gedanken zu machen, angebliche Wahrheiten zu hinterfragen, sich nicht von Oberflächlichkeiten blenden zu lassen, plädiert für Freundlich- und Menschlichkeit und, ganz nebenbei, für Freude am Leben und Spaß an der Sache. Inhaltlich kann dagegen doch eigentlich niemand etwas einzuwenden haben, der bei halbwegs klarem Verstand ist."
Macht Liont auch.
Nächstes Mal bitte noch ein Feature mit Felix Antoine Sören Cassiopeia Horst Blume zum Thema Nutzen des Jesuskomplex für die effektive Blumenzucht im Umfeld gleichgeschalteter Medien.
Also, in Interviews finde ich den ja immer total sympathisch und auch vernünftig, was er sagt, das Album ist aber auch nicht so mein Geschmack.