laut.de-Kritik
Als ein Protestsänger einmal seinen Spaß haben wollte
Review von Joachim GaugerUnauffällig, ja fast harmlos beginnt das Konzert in der Manchester Free Trade Hall, das Geschichte machte. Mit fragiler Stimme und ausgeprägtem Gestaltungswillen trägt Dylan seine Songs vor und spielt zur Begleitung kindlich-einfache Mundharmonika-Melodien. Da ist das Publikum zufrieden, da ist noch wenig von dem kommenden Aufruhr zu spüren. Auch wenn die überbordende Spiellust Dylans zu seinem damaligen Image als singender Redenschreiber für die Revolution so recht nicht passte.
Im Juli '65 war Dylan beim Newport Folk Festival erstmals mit einer Band aufgetreten. Darauf folgte die Tour mit der Band "The Hawks". Alle Konzerte liefen nach dem gleichen Muster ab, erst der akustische Soloauftritt, dann nach der Pause der Set mit Band. Und überall reagierte das Publikum mit Ablehnung auf den unzähmbaren Spielwitz und die offenkundige Lust, mit denen die Band elektrische Musik zelebrierte. Sie hatten Lieder gegen den Krieg erwartet, nicht gewalttätigen, lauten und irgendwie schmutzigen Rock'n'Roll, der damals noch ausschließlich von Außenseitern wie The Who fürs englische Proletariat gemacht wurde. Undenkbar, daß Revolution auch Spaß machen könnte.
Das vorliegende Konzert aus dem Mai 1966 wurde als Bootleg unter dem irreführenden Namen "The Royal Albert Hall Concert" berühmt, weil es die Konfrontation zwischen Sänger und Publikum so ungewöhnlich deutlich dokumentiert. "Judas" schreit da einer aus der Menge, die ihrem Unmut zuvor mit rhythmischem Klatschen kundgetan hat. Dylan erwidert: "I don't believe you... you're a liar" und dann zur Band gewandt: "Play fucking loud!". Es folgt "Like A Rolling Stone", fucking loud und aufreizend langsam gespielt.
Punk nannte das damals die englische Presse, heute ist die ganze Aufregung kaum noch nachvollziehbar. Dennoch, "Live 1966 - The Royal Albert Hall Concert" ist nicht nur eines der besten Rockkonzerte der Musikgeschichte, sondern auch ein historisches Dokument: Aufgenommen zu dem Zeitpunkt, an dem der politische Folk nach Woody Guthrie und der Rock'n'Roll zu einer Massenbewegung zusammenwuchsen. Wahrscheinlich hat es die Plattenfirma auch deshalb bei dem irreführenden Namen belassen: Eine eingeführte Marke soll man nicht ändern.
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