laut.de-Kritik
Liebeskummer im Wohnzimmer.
Review von Giuliano BenassiWill Oldham sieht als Bonnie 'Prince' Billy zwei Jahre nach der Veröffentlichung von "Ease Down The Road" noch eine Ecke schrulliger aus. Gewollt oder nicht, erinnert er mit seinem Vollbart und zur Seite gerichteten Blick an die bekannteste Abbildung von Friedrich Nietzsche.
Vom Supermenschen ist auf "Master & Everyone" trotz des Titels aber nicht die Rede. Im Gegenteil: Das Thema ist Oldhams Unfähigkeit, zu lieben, aber sein Bedürfnis, geliebt zu werden. Ging es beim Vorgänger noch um Liebesgeschichten in der dritten Person, zeigt sich der Sänger diesmal außergewöhnlich intim.
Eine Stimmung, die durch die Produktion perfekt unterstützt wird: einfach gezupfte Akustikgitarren, eine ruhige, hohe Stimme, zaghafte Streicherbegleitung, in einigen Stücken weibliche Duettpartner, aber auch das Knarzen eines Stuhls oder ein Fuß, der den Rhythmus auf den Boden stampft. Wohnzimmermusik, die sich anhört, als wäre sie in einem Wohnzimmer aufgenommen.
In jedem Menschen steckt ein kaltes dunkles Etwas, eine unergründliche Finsternis, so das Thema von Oldhams Schaffen. "She loves a soul that I've never been ... And every day when I come home to her, she holds a phantom, she kisses and she hugs him ... Why can't I be loved as what I am? A wolf among wolves and not as a man among men", heißt im gleichnamigen Lied. Es ist schwierig, aus Sicht dieses Albums wohl unmöglich, einen Menschen für das zu lieben, was er ist. Liebe bringt Geborgenheit, Trost und Schutz, ist letztendlich aber nur ein Aspirin, wenn eigentlich Morphin vonnöten ist. "It's a hard life for a man with no wife", singt Bonnie 'Prince' Billy am Anfang des letzten Stücks. "I wake up and I'm fine ... But it don't take long, you see, for the demons to come and visit me. I've got my problems, sometimes love don't solve them", kurz danach. Wenn Liebe nicht hilft, was bleibt einem anderes übrig, als ziellos auf der Suche nach "etwas Wahrem" weiter zu wandern, wie es in "Maundering" heißt?
Wer möchte, kann in den Texten Anspielungen an Martin Luther, die Psalme und bestimmt allerlei andere Quellen finden. Wer nach dem Sinn des Lebens sucht oder ein frisch gebrochenes Herz hat, wird in diesem Album kaum sein Glück finden. Ansonsten fließt und plätschert es so schön vor sich hin, dass es ein wahrer Genuss ist. Vielleicht liegt Oldhams Liebeskummer auch nicht in existentiellen Abwägungen: Ein Rasenmäher und ein paar Rasierklingen würden zur Lösung des Problems sicherlich behilflich sein.
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