laut.de-Kritik

Aggressiv fordernde Tanzmusik und heiße Indielektrofeger.

Review von

Vor etwas über zwei Jahren stieß ich dank des Blogeintrag eines Freundes auf das Leipziger Musikerkollektiv Brockdorff Klang Labor. "Frohe Schritte" lief damals in einer frühen Rohfassung wochenlang fast ununterbrochen im iPod und bereitete mir den Tanzboden auf den Gehwegen Berlins. Jetzt, im Herbst 2007 eröffnet mein Lied des Jahres 2005 das Debütalbum "Mädchenmusik". Etwas weicher, aber immer noch genauso lieblich, ist "Frohe Schritte" mit dem betörenden Gesang Nadja von Brockdorffs auch heuer noch ein heißer Indielektrofeger.

Sergej Klang bastelt die Beats dazu und fungiert als "singender Sequencer". Ekki "Ekk" Labor komplettiert das Trio und den Bandnamen als Synthie-Tastenmann und Sängerknabe. "Grenzenlos War" zieht die Tanzschrauben mit seinen harten Beats ein wenig an, hier begegnen dem Hörer erstmals die beiden Gesichter des BKL. Fast schon aggressiv fordernde Tanzmusik trifft auf Indie-Gänseblümchenwiesen-Nettigkeit.

Die Stücke verbinden die Laboranten mit kleinen Klangcollagen, in denen die Smiths mal kurz "Bigmouth Strikes Again" anstimmen dürfen. Ein Hinweis auf nicht unbedingt direkt hörbare Einflüsse, denn am Ende der Platte covert das Trio "Some Girls Are Bigger Than Others" der Mancunians. Konsequent, dass im Booklet auch dem Mozzfather gedankt wird.

Das etwas düstere "Breakfast For Cyborgs" bordet ganz im Sinne des Titels über vor elektronischen Spielereien, Nadja wechselt zwischen Deutsch und Englisch. Mitunter produziert Sergej einen kühl-distanzierten Beat, wie beispielsweise bei "Mary Tear The Sun", in dem eine Akustikgitarre die Melodie trägt. Wie auch immer die Stücke des Brockdorff Klang Labors zusammen gesetzt sind, immer wirken sie leicht entrückt, der zweistimmige Gesang Nadjas und Sergejs gibt dem Sound über weite Strecken einen fast schon sentimentalen Eighties-Touch.

Das leicht verträumte "Rede Jetzt Nicht" bleibt nicht lange im Gehör, "Dusty Bin Lady" lässt da schon eher aufhorchen. Die beiden SängerInnen sprechen den englischen Text mit sonorer Stimme, Nadja links, Sergej rechts. Immer mehr Soundlagen gesellen sich dazu, langsam webt sich die Nummer zu einem dichten Elektroteppich. "Wenn Du Willst" ist ebenso wie "Weiss, Ich" und "Grenzenlos War" bereits seit 2005 bekannt, ganz klar, "Mädchenmusik" versammelt Musik aus den letzten Jahren. Dennoch fügt sich alles gut zusammen.

"Weiss, Ich" gewinnt in der Albumversion deutlich gegenüber der mir bekannten 2005er Variante. Und wieder dieser Sprachwechsel: Die Strophen sind Nadja auf deutsch, den kryptischen Refrain "I kill the creatures in my alphabet" auf englisch. Hier wird es besonders deutlich: BKL machen ihre Musik nicht in allererster Linie für Hintern und Beine, sie füttern auch den Kopf.

Beziehungsweise sind selbst etwas verkopft. Das tut der Musik jedoch keinen Abbruch. "Vergessen" zieht sich auch nach mehrfachem Hören immer noch zäh in die Länge, dafür entschädigt das dubbig groovende "Stehaufmann". Hier ist das BKL regelrecht fett.

Die schon angesprochene Smiths-Coverversion geht durchaus klar, die Frontfrau singt hier betont und fast clientesque kühl. Im abschließenden Titeltrack singt Frau von Brockdorff im Duett mit Jens Friebe, der "Music For Girls" der Band Baxendale adaptierte. Inklusive Human League-Referenz im Text. Alles in allem stellt "Mädchenmusik" ein feines, ideenreiches Debütalbum dar, das der Band eine erfreuliche Eigenständigkeit attestiert.

Trackliste

  1. 1. Frohe Schritte
  2. 2. Grenzenlos War
  3. 3. Breakfast For Cyborgs
  4. 4. Mary Tear The Sun
  5. 5. Rede Jetzt Nicht
  6. 6. Dusty Bin Lady
  7. 7. Wenn Du Willst
  8. 8. Weiss, Ich
  9. 9. Vergessen
  10. 10. Stehaufmann
  11. 11. Some Girls Are Bigger Than Others
  12. 12. Mädchenmusik

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