laut.de-Kritik

Kein Platz für Trump im Land der Hoffnung und Träume.

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Es gibt Künstler, deren Stimme allein Geschichte atmet. Bruce Springsteen gehört zu ihnen – der ewige Working-Class-Poet, der sich niemals scheut, in die Risse des amerikanischen Traums zu greifen. Mit seiner "Land Of Hope And Dreams"-EP veröffentlicht er ein kleines, aber in seiner Wirkung großes Manifest.

Vier Songs, getragen von Pathos, politischem Gespür und jener unnachahmlichen Mischung aus Hoffnung und Melancholie, die den Boss seit Jahrzehnten auszeichnet. Der Titelsong, ursprünglich bereits 1999 uraufgeführt, wirkt auch im Jahr 2025 aktuell. Springsteen singt nicht von utopischen Welten, sondern von einer realen Hoffnung, die durch Dreck und Zweifel hindurch muss, um zu leuchten. Die neuen Arrangements – zurückhaltender, aber nicht weniger eindringlich – betonen diese Tiefe. Hier steht kein strahlender Held auf der Bühne, sondern ein Mann, der die Narben seiner Nation kennt und dennoch an sie glaubt. Es ist nicht der naive Glaube an eine bessere Welt, sondern ein trotziger. Ein politischer.

Und so beginnt es also: Mit "Land Of Hope And Dreams (Introduction)", führt Springsteen in ein Konzert ein, das den Feldzug gegen Donald Trump neu einläuten soll. Schlachtfeld? Social Media. Gewählte Waffen? Ernsthafte Kritik versus minderbemittelte Einschüchterungsversuche. Der Sieger steht bereits vor der EP-Veröffentlichung fest, nachdem Springsteen mit dem Tournee-Auftakt in Manchester der Truth Social-Drohung Trumps, er solle "den Mund halten" dankenswerter Weise nicht nachgekommen war. Die Reaktion des Präsidenten? Springsteen sei "dumm wie ein Stein" und man werde ja sehen "wie es für ihn weitergeht", wenn er zurück im Land sei.

Nun, den 'dummen Stein' hat's wenig interessiert, auf Folgekonzerten hinterlässt er die selben Botschaften. "In meiner Heimat ist das Amerika, das ich liebe, das Amerika, über das ich geschrieben habe, das seit 250 Jahren ein Leuchtfeuer der Hoffnung und der Freiheit ist, derzeit in den Händen einer korrupten, inkompetenten und verräterischen Regierung", hört man den Boss auf dem EP Opener zu der jubelnden Menge sprechen.

"Erhebt eure Stimmen gegen den Autoritarismus und lasst die Freiheit erklingen" heißt es noch ehe der Tour-Track angespielt wird. Zusammen mit der E Street Band bekommt Manchester eine perfekt arrangierte Version des Klassikers auf die Ohren.

In "Long Walk Home" sang Springsteen einst darüber, wie er sich in der Zeit von George W. Bush gefühlt hatte. Damals warb Springsteen für eine Abwahl des Republikaners und tourte unter dem Banner "Vote For Change". Im Song: Ein lyrisches Ich, dessen Welt sich verändert hat. Die Dinge und Menschen, die es zu kennen glaubte, mit deren Idealen es etwas gemeinsam hatte, sind wie Fremde. Die Welt fühlt sich völlig fremd an. Eine Botschaft, die für Springsteen wohl auch 2025 wieder zur bitteren Realität wird.

Danach kommt die Rede zu "My City Of Ruins". Der Boss spricht über Meinungsfreiheit, das Außerkraftsetzen von Bürgerrechtsgesetzen, radikale Ideologien, Deportation. "Das Amerika, von dem ich euch seit 50 Jahren vorschwärme, gibt es wirklich, und ungeachtet seiner Fehler ist es ein großes Land mit einem großen Volk". Trotz allem glaube er an James Baldwins Worte: "Er sagte, dass es in dieser Welt nicht so viel Menschlichkeit gibt, wie man sich wünschen würde. Aber es gibt genug davon".

Mit einem "lasst uns beten" läutet er den Hoffnungsbringer "My City Of Ruins" ein. Wieder ein Track, der seiner Studioversion in nichts nachsteht. Ursprünglich für seine Heimatstadt geschrieben, erinnert er an schlechte Zeiten, aber auch an Wiederaufbau und Hoffnung. Die EP endet mit Bob Dylans "Chimes Of Freedom". Ein Stück über Solidarität und Mitgefühl.

"Land Of Hope And Dreams" wirkt wie ein Brief aus einer anderen Zeit: ruhiger, reflektierter, neu interpretiert. Und gerade deshalb so mächtig.
Springsteen war nie ein Künstler, der auf kurzfristige Trends reagiert. Er schreibt für die Ewigkeit, oder zumindest für das, was von ihr bleibt. In "Land Of Hope And Dreams" offenbart sich ein Patriotismus, der nichts mit blindem Nationalstolz, sondern alles mit Verantwortung zu tun hat. Ein Patriotismus, der sich nicht im Flaggenwedeln erschöpft, sondern in der Frage: Was schulden wir einander als Gesellschaft? Vielleicht ist diese EP deshalb so wichtig. Nicht, weil sie neue Antworten gibt. Sondern weil sie uns daran erinnert, dass wir die alten Fragen noch nicht gelöst haben. Bruce Springsteen bleibt der Chronist einer verletzten, aber nicht verlorenen Hoffnung. Und er verbindet seine Musik erneut mit dem, was sie ausmacht. Haltung.

Trackliste

  1. 1. Land Of Hope And Dreams (Introduction)
  2. 2. Land Of Hope And Dreams
  3. 3. Long Walk Home
  4. 4. My City Of Ruins (Introduction)
  5. 5. My City Of Ruins
  6. 6. Chimes Of Freedom

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4 Kommentare

  • Vor 20 Stunden

    Kann man ja nur jede Zeile der Rezi unterstreichen

  • Vor 5 Stunden

    Wer seine Texte seit Beginn seiner Karriere aufmerksam gelesen hat, der konnte eine Menge lernen. Eine ganz große Menge zu all den Themen die in der Rezension anklingen und noch zu vielen mehr. Wer daraus gelernt hat und wer diese Themen reflektiert hat und Empathie genug hatte, sich in die geschilderten Szenen und Charaktere hinein zu versetzen, der hätte wahrscheinlich niemals Trump, die afd oder sonst einen Blödsinn gewählt. Aber das Erschreckende ist, dass das ganz viele Menschen getan haben, nach wie vor tun und es auch sehr viele junge Menschen super finden...Der Drang nach rechts ist nicht das, was Politiker dieser Richtung wirklich auslösen können, sondern es ist das was ein zunehmender Teil der Gesellschaft haben will. Deshalb ist es auch zu einfach, Politikern das in die Schuhe zu schieben. Es braucht Idioten, die diese idioten dann wählen...
    Als ich 14 Jahre alt war, hat mir ein Geschichtslehrer gesagt: "Geschichte wiederholt sich....". Ich habe es nicht verstanden, damals. Jetzt fürchte ich, das ich es verstehen kann.
    Um so wichtiger, dass es mutige und engagierte Prominente gibt, die ihre Popularität nicht nur aus Opportunismus für ein paar likes und einer Schlagzeile im Rahmen des laufenden Ticketverkaufs nutzen. Sondern die das ihr ganzes Leben tun. Stichwort Springsteen, Dylan, Baez, Bono, Niedecken... Etc... Große Hochachtung!

  • Gerade eben

    naja, Punks die Millionäre sind; Working Class Poeten, die als zigfache Millionäre auf Galas auftreten usw. -alles Spieler der Matrix.